Pflegemindestlohn – Ein Zeichen der Wertschätzung oder unangemessen?

Am 28. Januar 2020 hat sich die Pflegekommission auf höhere Mindestlöhne für Beschäftigte in der Pflege geeinigt: Ab 1. Juli 2020 sollen die Mindestlöhne für Pflegehilfskräfte im Osten und im Westen in vier Schritten auf einheitlich 12,55 € pro Stunde steigen. Die Kommission hat darüber hinaus erstmalig auch einen Pflegemindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte und für Pflegefachkräfte von 15 € je Stunde festgelegt. 

Grundsätzlich ist dieses Ergebnis zu begrüßen. Doch dass in einem Mangelberuf, wie es die Pflege seit langem ist, vielfach noch immer niedrige Löhne gezahlt werden, ist ein Armutszeugnis für die Gesellschaft und nicht länger hinzunehmen. Pflegende leisten einen unschätzbaren Wert für die immer weiter alternde Gesellschaft. Beruflich Pflegende arbeiten mit hoher Kompetenz und großerVerantwortung an 365 Tagen im Jahr, bei Tag und Nacht, an Sonn- und Feiertagen. Pflege kennt kein Wochenende, keine Ferien und keine Auszeiten infolge Krankheit.

Und vor dem Hintergrund, dass in der Pflege enormer Personalbedarf besteht, ist dieses Ergebnis ein falsches Signal. Ein Lohn von 15 € pro Stunde setzt auf keinen Fall die notwendigen Anreize, um den Pflegeberuf zu wählen und einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Auch der Differenzbetrag von 2,50 € zu Pflegehilfskräfte ist einfach zu gering.

Denn der Pflegemindestlohn definiert nur die Untergrenze und ist noch lange kein angemessener oder gerechter Lohn. Dieser kann nur durch Tarifverträge oder Tarifwerke abgesichert werden. Ist beschämend, dass nur 59 Prozent der Mitarbeitenden in der Pflege nach Tarif bezahlt werden.

Einen Fachkräfteberuf, in dem großer personeller Notstand herrscht, mit einem Mindestlohn abzuspeisen, ist unangemessen. Ziel muss sein, ein Bruttogehalt von mindestens 4000 €  im Jahr für alle Pflegefachkräfte. Die Pflege braucht keine kümmerlichen Mindestlöhne, sondern eine flächendeckende gute tarifliche Bezahlung wie bei Caritas und Diakonie z.B.

Die Entgelte der Mitarbeitenden in Diakonie und Caritas liegen erheblich über diesen Mindestlöhnen; daneben werden weitere Leistungen wie Weihnachtsgeld und eine betriebliche Altersversorgung gewährt.

Alle Zahlen und Fakten zu den neuen Pflegemindestlöhnen unter

https://www.diakonie.de/journal/faq-neu … -juli-2020

Allerdings reicht eine bessere Bezahlung alleine nicht aus, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Die andere Seite derselben Medaille ist die Notwendigkeit einer wertschätzenden Führungs- und Unternehmenskultur.

Die Qualität der Pflege und damit auch die Zukunft der Unternehmen steht und fällt mit der Qualifizierung und Befähigung der Mitarbeitenden und Ihrer Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Nur zufriedene Mitarbeitende können auch gute Gastgeber sein. Mitarbeitende gilt es daher zu fördern durch gute Einarbeitung und Begleitung, durch Fortbildungen und Supervision, durch Ernst- nehmen der Kompetenz und Kreativität, durch flexible Arbeitszeiten, um Familie und Beruf in Einklang bringen zu können, durch Übertragung von Verantwortung, durch Möglichkeiten des selbstbestimmten Arbeitens und durch Mitgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen.

Eine neue Qualität der Führung und des Umgangs miteinander ist also gefordert. Die sozialen Anbieter hätten so die einmalige Gelegenheit, eine Unternehmenskultur zu schaffen, von der sich die Menschen angezogen fühlen, weil sie etwas Besonderes zu bieten haben, nämlich Werte und Heimat, im Gegensatz zur sonstigen Wirtschaft, wo die sozialen Milieus sich auflösen und das Klima immer kälter wird, weil es an Menschlichkeit fehlt, wo zwar Maschinen mit höchstem Aufwand und mit großer Umsicht gepflegt werden, nicht aber die Mitarbeitenden. Denn die Mitarbeitenden sind das kostbarste Vermögen eines Unternehmens, die Gebäude und auch nicht die Bankkonten. 

Wenn eine solche Kultur gelebt wird, die Rahmenbedingungen stimmen einschließlich einer guten Bezahlung, dann werden auch junge Menschen mit sozialer und intrinsischer Einstellung  bei ihrer Berufswahl gewonnen werden können.

Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag „Pflegenotstand: Warum ändert sich nichts? Und was muss sich ändern?“, der in der Zeitschrift ProA der im Dezember 2019 erschienen ist.

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