Gefangen im Pflegeheim?

Mit brüchiger Stimme gab die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung Bemerkenswertes zu Protokoll: „Mich belastet ganz besonders, was die Menschen erdulden müssen, die in Pflege-, Senioren- Behinderteneinrichtungen leben. Dort, wo Einsamkeit ohnehin zum Problem werden kann, ist es in Zeiten der Pandemie und ganz ohne Besucher noch viel einsamer.“

Das belastet auch mich ganz besonders, denn über 30 Jahre habe ich mich um ältere Menschen mit Pflegebedarf oder Demenz gekümmert und  entsprechende Wohn- und Sorge-Projekte verwirklicht. Es macht mich unendlich traurig, da ich weiß, dass Menschen mit einer Demenz die Lage kaum begreifen und unglücklich sind.

Der Autor Sönke Krüger, dessen Mutter dement, pflegebedürftig und in einem Pflegeheim lebt, beschreibt diese Situation in der Ausgabe
Die Welt vom 2. Mai 2020 sehr anschaulich: „ Es zerbricht mir das Herz, dass sie die Lage kaum begreift, dass sie, die sich in ihrem Heim bisher wohl gefühlt hat, weil sie dort unter Menschen war, nun von Tag zu Tag unglücklicher wird. Dass sie dem Schmerz des Alleinseins mit laut gestelltem Fernseher zu entkommen versucht, wobei es egal ist, was gerade läuft, “Hauptsache, es ist nicht so schrecklich still“. Dass sie mich neulich fragte: „Bin ich im Gefängnis?“

Die Bundeskanzlerin wurde in ihrer Rede noch emotionaler:
„Es ist grausam, wenn außer den Pflegekräften niemand da sein kann,
wenn die Kräfte schwinden und ein Leben zu Ende geht.“ 

Da hat sie natürlich recht. Aber ist es nicht die Pflicht von Gesellschaft und Regierung, dieses Grauen so gut es geht zu beenden? Dafür zu sorgen, dass doch wieder Angehörige da sein können? Angela Merkel sagte dann:
„Wir kämpfen den Kampf gegen das Virus auch für sie“, also für die isolierten Älteren in den über 14.000 deutschen Pflegeheimen. 

Ich sage: Nein, das wird nicht getan. Es ist der einfachste Weg, das Problem wegzuschieben. Die Älteren in den Pflegeheimen werden allein gelassen.

In meinem Beitrag „Menschenrechte verletzen Grundrechte“ habe ich geschrieben:

„Bewohner in Pflegeheimen jetzt viele Monate zu isolieren, ist unmenschlich und unzumutbar. Dies gilt erst recht für ältere Menschen, die im Sterben liegen, die von ihren Angehörigen nicht begleitet werden und sich nicht verabschieden können. Geht es nicht um ein menschenwürdiges und begleitetes Sterben, statt um einen einsamen, würdelosen Tod?

Jede Person, also auch der ältere Mensch, hat seine einzigartige Würde und Anspruch darauf, dass wir diese Würde respektieren und so viel wie möglich – auch finanziell – für deren Verwirklichung tun. Das muss unser Leitbild einer älterwerdenden Gesellschaft sein.

Bei allem Verständnis für strenge gesundheitliche Regelungen gilt es, hier Lösungen für Menschlichkeit und Augenmaß zu finden. Sonst fühlen sich die Bewohner in Pflegeheimen noch mehr als früher schutzlos ausgeliefert und die gut gemeinten Schutzmaßnahmen fördern nicht nur den sozialen Tod.

Auch der Vorschlag, Risikogruppen weiterhin in Quarantäne zu halten, ist abzulehnen. Es kann nicht sein, dass älteren Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt wird.”

Dazu kommt, dass die Pflegekräfte dort bis heute nicht genügend Schutzanzüge, medizinische Masken und Corona-Testkits zur Verfügung haben. Sie müssen sich auch noch selbst um die Bewältigung der Misere kümmern. Hier hätten alle Bewohner und Mitarbeitende längst getestet werden müssen, da es sich hier um Hoch-Risikogruppen handelt, wie vor allem die Virologen ständig gebetsmühlenartig bestätigen.”

Auf meinen Beitrag hin habe ich zahlreiche Zuschriften erhalten, die in ihrer Feststellung identisch sind: “Ich habe den Text gelesen und mir ist eins klar: ungeheuer schwierig, den von Ihnen geforderten Weg zu gehen, ohne die Menschen in diesen Corona-Zeiten zu gefährden! Ich denke, es wird sich was ändern, es muss sich etwas ändern!“

Ich habe geantwortet:“ Sie haben völlig recht, dass der von mir geforderte Weg schwierig ist. Doch er ist machbar, wenn man will mit entsprechenden Konzepten und mit den erforderlichen Schutzmaßnahmen. Aber die meisten Heimleitungen haben Angst und sperren lieber zu. Ich weiß sogar von Behörden, die ganz offen sagen, an Demenz Erkrankte sollten sediert und in ihren Zimmern eingeschlossen werden, damit sie im Heim nicht rumlaufen!

Es gibt viele Möglichkeiten: Es lassen sich Räume für Besuche organisieren mit Schutzkleidung für Angehörige. In den Speisesälen können die Tische soweit auseinander gezogen und in zwei Schichten gegessen werden, damit die Bewohner nicht im Zimmer auch noch alleine essen müssen.
Und vor allem: es ist doch eine Schande, dass nicht längst alle Mitarbeitenden in der Pflege getestet sind, ebenso Besucher, die in die Heime kommen. Und es immer noch an Schutzkleidung fehlt.”

Und es gibt weitere Lösungsansätze: In Baden-Württemberg und in der Schweiz sind in Eigeninitiative  „Haus-an-Haus-Lösungen“ entstanden und bereits erfolgreich im Einsatz. Es handelt sich hier um kleine Besuchshäuschen, die außen an Türen oder Fenstern von Pflegeheimen angedockt werden und ebenfalls mit virensicherer Glasscheibe und Gegensprechanlage ausgestattet sind. Angehörige sitzen in der einfach zu desinfizierenden Kabine und betreten das Heim nicht, während auf der anderen Seite der Scheibe die besuchten Bewohner sitzen. Eine Stuttgarter Firma bietet sie für unter 5000 Euro an.

Was können Heime sonst noch tun? Ich stimme Andreas Kruse, einem der renommiertesten Gerontologen Deutschlands uneingeschränkt zu,
der in dem Interview mit dem Südkurier vom 29.4.2020 sagt:
„Die Aktivierung der Bewohnerinnen und Bewohner ist von großer Bedeutung – und zwar mit Blick auf die verschiedenen Ebenen der Person: körperlich, geistig, emotional, sozial, spirituelle. Denn nur unter dieser Voraussetzung wird eine zentrale Aufgabe erfüllt: die Selbstbestimmung, die Teilhabe, die Kompetenz, die Lebensqualität der Bewohner zu fördern und zu erhalten. Es kommt hinzu: Bewohner benötigen möglicherweise psychologische und seelsorgerische Begleitung. Ich hatte sehr viel von einer Begleitung, die auf dem Wege von Telefon oder Skype erfolgt. Wir müssen erkennen: für viele Bewohner ist eine Grenzsituation gegeben, in der sie auf fachlichen Beistand angewiesen sind.“

Ich könnte noch viel mehr vorschlagen. Doch den meisten Trägern fehlt es an Mut und Kreativität, gehen lieber den leichten Weg und handeln im vorauseilenden Gehorsam. Und Heime, die vorher schon nicht mit Angehörigen zusammengearbeitet haben, nicht in den Gemeinden vernetzt waren, tun es in einer solchen Krise erst recht nicht. Erst recht möchte ich mir nicht ausmalen, was in den Heimen mit schlechter Pflege jetzt passiert.

Hier braucht es erst recht der sozialen Kontrolle durch Besuche von Angehörigen, Ehrenamlichen und bürgerschaftlich engagierten Personen. Diese Kontrolle ist viel wirksamer und entscheidender als die MDK- und Heimaufsichts-Prüfungen.

Es reicht nicht, wenn die Bundeskanzlerin sagt: „Vergessen wir nicht die 80- und 90-Jährigen, die unser Land aufgebaut haben und jetzt in zeitweiliger Isolation leben müssen.“

Auch hier muss endlich und dringend Geld in die Hand genommen werden. Während Bund und Länder gerade Hunderte Milliarden Euro an Hilfsgeldern großzügig und unbürokratisch an Kurzarbeiter und Freiberufler, an Schulen und Start-ups verteilen – dies ist wichtig und richtig ist-, dürfen die Älteren in Pflegeheimen nicht vergessen werden, sonst bleiben die Worte der Bundeskanzlerin leere Worthülsen.

Ich kann nur hoffen und werde auch weiterhin meine Stimme erheben, dass nach der Krise endlich Vieles auf den Prüfstand kommt.

Besuchsverbote verletzen Menschenrechte

Gerade ältere Menschen in Pflegeheimen treffen die Corona-Maßnahmen besonders hart. Daher brauchen wir Wege, wie Kontakte und Besuche wieder stattfinden können. Besuchsverbote setzen die Menschenrechte völlig aus der Kraft.

Ältere Menschen in Pflegeheimen sind zudem doppelt betroffen. Einerseits durch das Besuchsverbot und zum anderen, weil die Ansteckungsgefahr dort besonders hoch ist, wenn jemand infiziert ist.

In der jetzigen Situation ist für viele dieser Menschen die Einsamkeit ein sehr großes Problem. Sie beeinträchtigt nicht nur die Psyche, sie kann auch Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Vor allem an einer Demenz Erkrankte können die Situation nicht verstehen oder einordnen. Sie verstehen nicht, warum Ehepartner oder Angehörige nicht mehr zu Besuch kommen und suchen sie im ganzen Haus. Ich habe von einem Ehepaar gelesen, wo die Frau dement ist und nur Essen zu sich nimmt, wenn ihr Mann bei ihr ist. In solchen Fällen muss der Kontakt sofort ermöglicht werden. Ein anderes Beispiel: die Tochter kann nicht verstehen, warum sie mit ihrer Mutter, die im Rollstuhl sitzt, nicht spazieren gehen darf, wenn die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen sind.

Bewohner in Pflegeheimen jetzt viele Monate zu isolieren, ist unmenschlich und unzumutbar.

Dies gilt erst recht für ältere Menschen, die im Sterben liegen, die von ihren Angehörigen nicht begleitet werden und sich nicht verabschieden können.
Geht es nicht um ein menschenwürdiges und begleitetes Sterben, statt um einen einsamen, würdelosen Tod?
Bei allem Verständnis für strenge gesundheitliche Regelungen gilt es, hier Lösungen für Menschlichkeit und Augenmaß zu finden. Sonst fühlen sich die Bewohner in Pflegeheimen noch mehr als früher schutzlos ausgeliefert und die gut gemeinten Schutzmaßnahmen fördern nicht nur den sozialen Tod.

Auch der Vorschlag, Risikogruppen weiterhin in Quarantäne zu halten,
ist abzulehnen. Es kann nicht sein, dass älteren Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt wird.

Zu allererst brauchen jetzt Pflegeheime Schutzkleidung für die Mitarbeitenden, damit alle bestmöglich vor Ansteckung geschützt sind. Aber auch, um Besuche mit Schutzkleidung und Mundschutzmasken zu ermöglichen.

So lange hier ein Mangel besteht, brauchen die Pflegeheime so schnell wie möglich technische Geräte wie Tablets, Smartphones oder das „Qwiek.up“. Hierbei handelt es sich um ein Gerät, das als Intervention oder Aktivität genutzt werden kann. Bilder, Musik oder Snoezelen-Module können an die Wand projiziert werden. Mit einem handelsüblichen Stick können Botschaften, Videos und Fotos aufgenommen  und im Pflegeheim abgespielt werden. So können Bewohner Kontakt zu ihren Kindern und Angehörigen aufrecht erhalten.

Die Pflegeheime sollten aber auch organisieren, wie sich die älteren Menschen untereinander treffen können, wenn sie gesund sind. Denn auch diese Gespräche und der Kontakt untereinander sind sehr wichtig.

Wo bleiben eigentlich in diesem Zusammenhang die Konzepte und Vorschläge der Träger, Verbände oder der Kirchen?

Die bekannt gewordenen Infektionsfälle mit vielen Todesfällen in Pflegeheimen – wobei längst nicht fest steht, dass hier immer  das Corona-Virus die Ursache ist – zeigen, dass auch die Altenpflege nur unzureichend auf die Epidemie vorbereitet ist. Dies betrifft die von mir seit fast 30 Jahren beklagte personelle Unterbesetzung der Pflegeheime und  die geforderte Aufstockung um ca. 30 Prozent, den Umgang mit begrenzten Ressourcen wie Schutzausrüstung ebenso wie die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen zur Reduzierung sozialer Kontakte in Pflegeheimen.

Es kann nicht sein, dass wir die älteren Menschen so lange isolieren, bis es einen Impfstoff gibt. Hier müssen schnellstens andere Regelungen gefunden werden, um Kontakte zu ermöglichen, z.B. in dem Besuche mit mehr Abstand stattfinden, in größeren Räumlichkeiten oder in Schutzkleidung.

Alle Einschränkungen für die Besuche von Angehörigen gehören permanent auf den Prüfstand und müssen, so bald wie möglich, durch mildere Maßnahmen wie besondere Hygienevorkehrungen und Tests ersetzt werden. Dies ist ein Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Menschlichkeit.

Wie kann jedoch der Ausstieg aus dem Corona-Dilemma gelingen?

Auch hier teile ich das, was Adelheid von Stösser schreibt:

„Der erste Schritt wäre die Erkenntnis, dass ein „weiter so“  nur ins Verderben führen kann. Mit jedem Tag, mit jeder angstverbreitenden Berichterstattung, wird die Negativspirale beschleunigt.

Der zweite Schritt wäre die Erkenntnis der Notwenigkeit eines Richtungswechsels.  Wir müssen über einen komplett anderen Ansatz nachdenken. Nämlich die Frage: Wie können wir die Abwehrkräfte bei gefährdeten Personen, Bewohnern und Personal stärken? Denn der beste Schutz vor Covid-19 und anderen Krankheitserregern, die unvermeidlich in jedem Pflegeheim immer massenhaft unterwegs waren und sein werden, sind gesunde Verhältnisse: Liebe, Licht, Berührung, Zuversicht, Geborgenheit vermitteln, gutes gesundes Essen, Vitamin D und B12,  frische Luft, Bewegung, Ansprache,  positive Stimmung sowie alles das, was die Freude am Leben erhöht.  Nicht einsperren, nicht zu Hause bleiben, sondern raus in die wunderschöne Natur.  Gemeinsam statt einsam!  Raus aus der Isolation.  Aufatmen, durchatmen – und dies in der Vorstellung: Ich bin stark, mir geht es gut und ich lasse mir weder von Covid, noch von sonst etwas,  meine Lebensfreude rauben.“

in: Pflegeprisma – Das Magazin pflegeethik Initiative Deutschland e.V.
vom 9.4.2020. Den gesamten Beitrag finden Sie hier:

Wegducken und Abtauchen

Für Führungskräfte ist es in dieser Corona-Krise trotz aller Abstandsregeln wichtig, Nähe zu zeigen. Führungskräfte können jetzt beweisen, was in den farbigen Unternehmensbroschüren blumig beschrieben wird:
„Der Mitarbeiter im Mittelpunkt”. 

Die Mitarbeitenden sind gerade in dieser Zeit verunsichert, haben Angst um ihre Gesundheit und um ihren Arbeitsplatz. Sie brauchten Unterstützung und eine Perspektive.

Führungskräfte in der Gesundheits- und Pflegebranche haben derzeit viele Aufgaben zur gleichen Zeit. Sie müssen sich um die Patienten, Bewohner, die Angehörigen, das Umfeld kümmern und gleichzeitig die Liquidität sichern. Doch sie müssen vor allem auch auch Flagge zeigen. Insgesamt höre ich jedoch von den Führungskräften großer Pflegekonzerne hier viel zu wenig.

So erfahre ich, dass es Geschäftsführer gibt, die sich in’s Homeoffice verabschieden,  kein einziges Pflegeheim des Unternehmensverbundes besucht haben, ihre dortigen Führungskräfte im Regen stehen und mit der Verantwortung alleine lassen. Wegducken und Abtauchen ist hier das Führungsprinzip. Welch erbärmliche Haltung und Einstellung.

Mitarbeitende, leitende Pflegefachkräfte, auch Heimleitungen, vermissen Solidarität, Halt und die moralische Unterstützung, wenn sie ihre Arbeitgeber nicht zu Gesicht bekommen. “Die grössten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben”.
(Jean Jaures, Historiker und Politiker)

Auch intern dürfen Führungskräfte jetzt nicht schweigen oder unsensibel kommunizieren. Kommunikation nach innen und nach außen ist das Gebot der Stunde: Offen, regelmäßig und transparent. Mitarbeitende fühlten sich sicher, wenn ihr Chef Sicherheit ausstrahlt. Zuspruch ist äußerst wichtig, denn Mitarbeitende sind durch die Krise ohnehin stark verunsichert.

Das Wort Krise kommt vom Griechischen „krinein“ – entscheiden.
Krisen sind also Situationen, die eine Entscheidung bringen oder erfordern.
Sie können uns aus der Bahn werfen und zwingen, unsere Ziele, Prioritäten, Grenzen und Hoffnungen zu überprüfen. Krisen brauchen also Werte, um Orientierung zu gewinnen und nach Fehlschlägen wieder neu zielgerichtet agieren zu können.

Und haben nicht alle Krisen, die wir in der Vergangenheit erlebt haben und mit der jetzigen erleben, eines gemein? Sie münden alle in eine Krise des Vertrauens, vor allem in die Führenden.

Gerade in Krisenzeiten ist starke Führung gefragt. Selbstbewusst und entschlossen. Wie jedes Führen heißt das: Mit sich selbst und mit anderen gut umzugehen, um vereinbarte Ziele gemeinsam zu erreichen. In der Krise, also unter erschwerten Bedingungen, gilt das um so mehr. Was hilft dabei?
Statt nach Problemen zu fragen, sind Lösungen die Lösung.

Ich sehe die Führungskräfte doppelt gefordert. Sie müssen nicht nur aufzeigen, wie man der aktuellen Herausforderung begegnet – mit intelligenten Einsatzplänen und in der Pflege mit organisatorischen Maßnahmen für die Bewohner, damit diese nicht noch schutzloser werden als sie ohnehin schon waren. Ich denke hier zum Beispiel trotz aller Sicherheitsvorkehrungen an Kontakte und Palliative Begleitung.
Lesen Sie hierzu meinen Beitrag “Besuchsverbote verletzen Menschenrechte”

Führungskräfte müssen eine Strategie entwickeln, wohin das Unternehmen unter den veränderten Vorzeichen mittel- und langfristig steuert. Sie müssen zudem zeigen, wie sie in einer Pflegelandschaft agieren wollen, in der nichts mehr sicher zu sein scheint. 

Der Umgang mit der Krise ist nicht nur für das kurzfristige wirtschaftliche Wohl des Unternehmens entscheidend – er hat auch Einfluss auf das Image in der Öffentlichkeit, bei Mitarbeitern und begehrten Bewerbern nach der Krise. Mitarbeitende werden stolz sein, wenn ihr Unternehmen die Krise  professionell gemeistert hat.  Pflegeunternehmen, die gestärkt aus der Krise herausgehen, werden für Arbeitssuchende besonders attraktiv sein. 

Insofern ist die Krise auch eine Chance. 

Wer vorher vielleicht nicht bekannt war, kann sein Image jetzt durch intelligentes Agieren stärken. Ich bin überzeugt, dass die so genannten gesundheitsrelevanten Berufe und hier vor allem die Pflege nach Überwindung der Krise einen ganz anderen Stellenwert in unserer Gesellschaft erhalten wird.
Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag „Klatschen alleine genügt nicht“.

Umgekehrt kann ein Unternehmen, das bislang einen guten Ruf hatte, durch Missmanagement in der Krise auch schnell an Ansehen verlieren.

 

Klatschen allein reicht nicht 

Es sind berührende Momente, wenn jeden Abend um 21:00 Uhr unzählige Menschen in vielen Städten wie auch in Köln mit ihrem Beifall-Klatschen den Ärzten und Pflegekräften ihren Dank, ihre Anerkennung und Wertschätzung für den Dienst in der Corona-Krise zum Ausdruck bringen. 

So schön und wertvoll diese Geste auch ist, sie reicht nicht. Ich hoffe und wünsche mir, dass alle die, die jetzt applaudieren, ebenfalls um 21:00 Uhr zu einem gellenden Pfeif-Konzert ansetzen, wenn die Politiker nach Überwindung der Krise nicht endlich und nachhaltig für eine Verbesserung der personellen und finanziellen Rahmenbedingungen in der Gesundheits- und Pflegebranche sorgen.

An dieser Stelle ist es mir fast schon unangenehm und peinlich, immer wieder darauf zu verweisen, dass ich bereits 1991 auf die tägliche 30 prozentige personelle Unterbesetzung der Pflege mit allen ihren dramatischen Auswirkungen hingewiesen habe. Es ist skandalös, dass in fast 30 Jahren so gut wie nichts geschehen ist. Meine damalige Analyse wurde jetzt aktuell im Februar 2020 in der „Rothgang-Studie“ zur Personalbemessung bestätigt. In diesem Zusammenhang ist die Aussage des Gesundheitsministers Jens Spahn „man habe nun erstmals verlässliche Zahlen über den Pflegebedarf“ nur noch zynisch. Denn sowohl  eine Expertise von Prof. Wingenfeld als auch das damalige KDA-Projekt „PLAISIR“ zur Personalbemessung hatten meine Untersuchungsergebnisse bestätigt und sind in der Versenkung verschwunden. 

(Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag “Pflegenotstand: Warum ändert sich nichts? Und was muss sich ändern?)

Bei einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen darf es allerdings nicht nur um Ärzte und Pflegekräfte gehen, sondern auch um alle anderen Professionen wie Küche, Hauswirtschaft, Reinigung, Therapie und andere, die ebenfalls maßgeblich an der Pflege und Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen beteiligt sind. Wie will zum Beispiel ein Chirurg arbeiten, wenn der Operationssaal nicht klinisch einwandfrei gereinigt ist?

Vielleicht ist jetzt endlich die Zeit gekommen, dass das gesamte System auf den Prüfstand gestellt wird. Alle Mitarbeitenden in den so genannten systemrelevanten Berufsgruppen müssen besser bezahlt werden. Es kann doch nicht sein, dass Mitarbeiter in der Fertigungsindustrie höhere Löhne erhalten als Mitarbeitende der Pflegeberufe. Die Verantwortung für Maschinen wird offenbar immer noch höher eingestuft als die für Menschen. Es muss aufhören, dass Mitarbeitende in der Pflege als Kostenfaktoren gesehen werden und den „unproduktiven Dienstleistungen“ zugerechnet werden. Denn diese Berufe sind essenziell für unsere Gesellschaft, für das Wohlbefinden Einzelner und für den sozialen Zusammenhalt. 

Mit der Corona-Pandemie sehen wir deutlich, wie die Care-Berufe bisher dramatisch vernachlässigt wurden. Jetzt erhalten wir die Quittung dafür, dass in den letzten Jahren so viele, die ihren Beruf eigentlich lieben, ausgestiegen sind, weil sie es nicht verantworten können, in diesem System so zu arbeiten.

Wenn Rendite und Gewinnerzielung höchste Priorität geniessen, steht das Wohlergehen der Mitarbeitenden, Bewohner und Patienten in der Regel hinten an. Gewinne können meist nur gemacht werden, wenn Personalkosten reduziert werden. Dies rächt sich jetzt. Die Öffentlichkeit nimmt jetzt in der Corona Krise die katastrophale Situation in Kliniken und in der Pflege wahr, die allerdings immer schon der normale Alltag gewesen ist. Die Corona-Krise trifft auf ein Gesundheitssystem, das sich bereits seit langem im permanenten Ausnahmezustand befindet. Seit Jahren wird beschleunigt, verdichtet und die Effizienz gesteigert, um die Betriebe auf Gewinn zu trimmen.

Börsennotierte Unternehmen haben im Gesundheits- und Pflegesektor nichts verloren, weil es hier nicht um Waren geht, sondern um personenbezogene, zwischenmenschliche Dienstleistungen und Interaktivitäten sowie um Beziehungspflege.

Ziel muss auch sein, die Kapazitäten der Intensivmedizin soweit auszubauen, dass nicht ein Arzt entscheiden muss, welcher Patient noch behandelt werden kann und wer nicht, wie bereits in einigen europäischen Ländern geschehen. Das Alter allein darf kein Kriterium sein, sondern vor allem die Schwere der Erkrankung, damit keine Diskussion um „lebenswertes“ Leben entsteht und ethische Grundregeln über Bord geworfen werden.

Diese Wochen der Angst und Sorge zeigen uns deutlich die eigene Fragilität, Verletzlichkeit und das Angewiesensein auf andere Menschen und zwar ein Leben lang. Vielleicht führt die Erkenntnis über die Zerbrechlichkeit des eigenen Lebens zu einer radikalen Bewusstseinsänderung und damit ebenfalls zu einem radikalen Systemwechsel.

Ich werde weiterhin dafür kämpfen.

120000 Pflegekräfte fehlen

Ein Gutachten im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums hat ergeben, dass derzeit 120.000 zusätzliche Pflegekräfte nötig wären, um die Pflegebedürftigen in Pflegeheimen angemessen zu betreuen. Demnach müsste die Zahl der Pflegekräfte von jetzt 320.000 auf 440.000 erhöht werden, was jährlich rund vier Milliarden Euro zusätzlich kosten würde. Um die hohe Arbeitsbelastung des Pflegepersonals zu senken, müsste sich dem Gutachten zufolge auch der Personalschlüssel ändern: Eine Pflegekraft sollte im Schnitt nur noch 1,8 Patienten versorgen statt bisher 2,5. Das Gutachten stellt fest, dass die Personalschlüssel um 36 Prozent angehoben werden müssten.

Dies ist traurig, aber noch mehr beschämend. Denn bereits 1991 – also vor 29  Jahren . habe ich in einer eigenen Untersuchung eine tägliche personelle Unterbesetzung von 30 Prozent nachgewiesen. Und dies ist der eigentliche Skandal. Es ist seitdem in dieser Hinsicht nichts geschehen. Die Pflegenden wurden von der Politik im Stich gelassen. Es wäre in all den Jahren so leicht gewesen, in jedem Heim diese personelle Lücke von ca. 30 Prozent zu füllen. Nur zwei bis drei Mitarbeitende je Pflegegruppe und Heim mehr – es mussten keine Fachkräfte sein – dann wären nicht die heutigen Belastungen, Arbeitsverdichtungen, Burnout, Flucht aus der Pflege, die permanente Unzufriedenheit und das Negativ-Image sowie die zahlreichen Mängel in der Pflege und Versorgung älterer Menschen mit Pflegebedarf oder Demenz entstanden. Meine jahrelangen Hinweise und Appelle an Politik und Verbände sind immer wieder ins Leere gelaufen.

Und wo sollen die jetzt festgestellten 120.000 zusätzlichen Pflegekräfte auf einmal herkommen? Der Pflegemarkt ist leer gefegt. Die Pflegepolitik der letzten Jahre ist damit total gescheitert.

Es muss nun schnellstens ein Instrument der Personalbemessung eingesetzt werden, das sich an den tatsächlichen Bedarfen älterer Menschen mit Pflegebedarf ausrichtet und darüberhinaus in Verbindung mit höheren Vergütungen und besseren Arbeitsbedingungen. Dann werden “geflüchtete” Pflegekräfte -eventuell – zurück kommen und neue Mitarbeitende  können erfolgreich gewonnen werden. Das wäre die Lösung, die ich seit vielen Jahren fordere. Alle halbherzigen “Reförmchen” sind gescheitert und bringen uns nicht weiter. Klar ist aber auch, dass die Neugestaltung der Personalbemessung teuer wird. Dazu muss ergänzend eine Pflege-Finanzreform her, die aus Steuermitteln gestützt wird!

Lesen Sie hierzu auch meine Artikel

“Pflegenotstand: Warum ändert sich nichts? Und was muss ich ändern?”    

und auch

„Die Situation wird wird bedrängend -Bricht die Pflege zusammen, weil die Personalschlüssel nicht ausreichen? “, Altenpflege 7/91, den Sie  hier lesen.

sowie den Beitrag in der ÄrzteZeitung vom 25.2.2020

“Mehr Assistenzkräfte für Pflegeheime”

Personalschlüssel: Neueste Erkenntnisse oder ein Skandal?

Das Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk hat in seiner aktuellen Presseinformation vom 14.02.2020 auf eine Studie von Professor
Heinz Rothgang hingewiesen, in der von einem Personalmehrbedarf in der Altenpflege von circa 30 Prozent die Rede sein soll.

Als jemand, der fast 40 Jahre für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Altenpflege kämpft, muss ich dieses „Rothgang-Ergebnis“ als schlechten Witz empfinden. 

Die 30 Prozent-Erkenntnis hätte man schon vor 29 Jahren durch meine Untersuchung in der CBT „umsonst“ haben können und entsprechend handeln müssen !!
Lesen Sie hier meinen Artikel von 1991!!

Doch die Politik hat diese Problematik nicht zur Kenntnis genommen.
Schon damals habe ich ein Gespräch mit dem  Sozialminister
Norbert Blüm führen können, der hat genauso wenig verstanden oder verstehen wollen wie später Jens Spahn als Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU Fraktion sowie vor zwei Jahren Herr Gröhe als Gesundheitsminister.

Auch  bei den Verbänden habe ich kein Gehör gefunden, so dass ich damals schon gesagt habe:
„Eines Tages werden wir zu Pflegende in andere Länder exportieren müssen, weil es in Deutschland keine Pflegenden mehr gibt.“

Dies ist der eigentliche Skandal, dass 29 Jahre verantwortliches Handeln von der Politik unterlassen wurde. Daher ist nicht zu erwarten, dass die jetzt bestätigte Erkenntnis in aktuelles Handeln mündet.
Die gleichen Mechanismen wie damals werden auch heute wieder dazu führen, dieses Ergebnis der täglichen personellen Unterbesetzung nicht anzuerkennen.
Denn sowohl  eine Expertise von Prof. Wingenfeld als auch das damalige KDA- Projekt „PLAISIR“ zur Personalbemessung hatten meine Untersuchungsergebnisse bestätigt und sind in der Versenkung verschwunden. 

Es ist eine Schande, wie stiefmütterlich nach wie vor eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen von der Politik behandelt wird.

Lesen Sie zur Gesamt-Thematik auch meinen aktuellen Beitrag in der neuesten Ausgabe von ProAlter:

“Pflegenotstand: Warum ändert sich nichts?
Und was muss sich ändern?“

Pflegemindestlohn – Ein Zeichen der Wertschätzung oder unangemessen?

Am 28. Januar 2020 hat sich die Pflegekommission auf höhere Mindestlöhne für Beschäftigte in der Pflege geeinigt: Ab 1. Juli 2020 sollen die Mindestlöhne für Pflegehilfskräfte im Osten und im Westen in vier Schritten auf einheitlich 12,55 € pro Stunde steigen. Die Kommission hat darüber hinaus erstmalig auch einen Pflegemindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte und für Pflegefachkräfte von 15 € je Stunde festgelegt. 

Grundsätzlich ist dieses Ergebnis zu begrüßen. Doch dass in einem Mangelberuf, wie es die Pflege seit langem ist, vielfach noch immer niedrige Löhne gezahlt werden, ist ein Armutszeugnis für die Gesellschaft und nicht länger hinzunehmen. Pflegende leisten einen unschätzbaren Wert für die immer weiter alternde Gesellschaft. Beruflich Pflegende arbeiten mit hoher Kompetenz und großerVerantwortung an 365 Tagen im Jahr, bei Tag und Nacht, an Sonn- und Feiertagen. Pflege kennt kein Wochenende, keine Ferien und keine Auszeiten infolge Krankheit.

Und vor dem Hintergrund, dass in der Pflege enormer Personalbedarf besteht, ist dieses Ergebnis ein falsches Signal. Ein Lohn von 15 € pro Stunde setzt auf keinen Fall die notwendigen Anreize, um den Pflegeberuf zu wählen und einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Auch der Differenzbetrag von 2,50 € zu Pflegehilfskräfte ist einfach zu gering.

Denn der Pflegemindestlohn definiert nur die Untergrenze und ist noch lange kein angemessener oder gerechter Lohn. Dieser kann nur durch Tarifverträge oder Tarifwerke abgesichert werden. Ist beschämend, dass nur 59 Prozent der Mitarbeitenden in der Pflege nach Tarif bezahlt werden.

Einen Fachkräfteberuf, in dem großer personeller Notstand herrscht, mit einem Mindestlohn abzuspeisen, ist unangemessen. Ziel muss sein, ein Bruttogehalt von mindestens 4000 €  im Jahr für alle Pflegefachkräfte. Die Pflege braucht keine kümmerlichen Mindestlöhne, sondern eine flächendeckende gute tarifliche Bezahlung wie bei Caritas und Diakonie z.B.

Die Entgelte der Mitarbeitenden in Diakonie und Caritas liegen erheblich über diesen Mindestlöhnen; daneben werden weitere Leistungen wie Weihnachtsgeld und eine betriebliche Altersversorgung gewährt.

Alle Zahlen und Fakten zu den neuen Pflegemindestlöhnen unter

https://www.diakonie.de/journal/faq-neu … -juli-2020

Allerdings reicht eine bessere Bezahlung alleine nicht aus, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Die andere Seite derselben Medaille ist die Notwendigkeit einer wertschätzenden Führungs- und Unternehmenskultur.

Die Qualität der Pflege und damit auch die Zukunft der Unternehmen steht und fällt mit der Qualifizierung und Befähigung der Mitarbeitenden und Ihrer Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Nur zufriedene Mitarbeitende können auch gute Gastgeber sein. Mitarbeitende gilt es daher zu fördern durch gute Einarbeitung und Begleitung, durch Fortbildungen und Supervision, durch Ernst- nehmen der Kompetenz und Kreativität, durch flexible Arbeitszeiten, um Familie und Beruf in Einklang bringen zu können, durch Übertragung von Verantwortung, durch Möglichkeiten des selbstbestimmten Arbeitens und durch Mitgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen.

Eine neue Qualität der Führung und des Umgangs miteinander ist also gefordert. Die sozialen Anbieter hätten so die einmalige Gelegenheit, eine Unternehmenskultur zu schaffen, von der sich die Menschen angezogen fühlen, weil sie etwas Besonderes zu bieten haben, nämlich Werte und Heimat, im Gegensatz zur sonstigen Wirtschaft, wo die sozialen Milieus sich auflösen und das Klima immer kälter wird, weil es an Menschlichkeit fehlt, wo zwar Maschinen mit höchstem Aufwand und mit großer Umsicht gepflegt werden, nicht aber die Mitarbeitenden. Denn die Mitarbeitenden sind das kostbarste Vermögen eines Unternehmens, die Gebäude und auch nicht die Bankkonten. 

Wenn eine solche Kultur gelebt wird, die Rahmenbedingungen stimmen einschließlich einer guten Bezahlung, dann werden auch junge Menschen mit sozialer und intrinsischer Einstellung  bei ihrer Berufswahl gewonnen werden können.

Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag „Pflegenotstand: Warum ändert sich nichts? Und was muss sich ändern?“, der in der Zeitschrift ProA der im Dezember 2019 erschienen ist.

Link zum Artikel

Buurtzorg- ein attraktives, zukunftsweisendes Pflegemodell

Die Idee des Buurtzorg-Modells – auf Deutsch Nachbarschaftshilfe –  ist es, eine bedürfnisgerechte häusliche Versorgung für Menschen mit Pflegebedarf zu ermöglichen. Hierbei sollen selbstorganisierte und eigenverantwortliche professionelle Pflegeteams sorgende Hilfsnetzwerke aufbauen, um die Eigenständigkeit der Menschen mit Pflegebedarf zu unterstützen. Sie und ihr Umfeld sollen in die Lage versetzt werden, Tätigkeiten selbst auszuführen, für die nicht unbedingt eine Pflegefachkraft erforderlich ist. Dies soll zum einen den Menschen mit Pflegebedarf nutzen. Zum anderen soll es Kapazitäten für die Unterstützung anderer pflegebedürftiger Menschen schaffen und die Arbeitsbedingungen für Pflegende attraktiver gestalten.

In diesem Modell planen, entscheiden und verwalten die Mitarbeitenden alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Versorgung selbstständig und sind untereinander hierarchisch gleichgestellt. Ein Team von maximal zwölf Personen versorgt etwa 50-60 pflegebedürftige Menschen. Die Kommunikation erfolgt über das Intranet, das Buurtzorg-Web. Neben dem fachlichen Austausch dient die Plattform der Planung, der Dokumentation und der Abrechnung. Dokumentiert wird digital mit Hilfe von Tablets und auf Basis des OMAHA-Klassifikationssystems, ein international anerkanntes Pflege-Dokumentationssystem zur Erfassung und Beurteilung individueller Pflegesituationen. Die Abrechnung der Pflegeleistungen erfolgt im Gegensatz zu Deutschland nach Zeit und mit einem festen Stundensatz. Die Teams planen und prüfen ihr Budget eigenverantwortlich. Administrative Aufgaben wie die Gehaltsabrechnung oder Buchhaltung übernimmt eine zentrale Verwaltung.

In Deutschland gibt es einige Pflegedienste, die sich an der Idee dieses Modells orientieren. Ein Beispiel ist „Buurtzorg Deutschland“, eine gemeinnützige GmbH mit aktuell sechs Pflegeteams in Emsdetten, Hörstel, Lotte, Münster, Frieden und Leipzig.

Das ZQP hat in seinem neuesten Heft “Stiftungsmagazin ZQP diskurs 2019/20“ in dem Beitrag „Buurtzorg: zukunftsweisend für die häusliche Pflege?“ das Modell aus den Niederlanden dargestellt und ist der Frage nachgegangen, ob dieses Modell auch für Deutschland attraktiv ist und welche Erfahrungen es bisher gibt.

Diesen Beitrag und weitere können Sie hier nachlesen

Deutsches Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte

Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA), dessen Kurator ich seit 2004 bin, hat mit Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ein Deutsches Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen (DKF) eingerichtet. Ziel des Kompetenzzentrums ist es, sich an der Entwicklung, Begleitung und Umsetzung von Maßnahmen zur Gewinnung von Personen mit einer pflege- oder gesundheitsfachlichen Ausbildung aus dem Ausland zu beteiligen. Das Kompetenzzentrum ist Teil der Bemühungen von Gesundheitsminister Jens Spahn, im Rahmen eines Modellprojektes internationale Fachkräfte zu gewinnen. Weitere Informationen finden Sie hier.