11: Einstellung ändern

Immer wieder wird auch in der Sozialwirtschaft die Frage gestellt:
“Wie sieht gute Führung aus und was ist gutes Management?”

Vereinfacht könnte man sagen: Führende tun die richtigen Dinge,
Manager machen die Dinge richtig.

Gute Führung ist für das Überleben eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung. Daher will ich unter dieser neuen Rubrik Führung und Management immer wieder Stellung zu dieser Thematik nehmen und meine Erfahrungen als langjähriger Geschäftsführer der CBT, eines großen und bedeutenden Sozialunternehmens, an dieser Stelle weitergeben.

Das Erfolgsgeheimnis ist so trivial, dass ich es kaum zu sagen wage:
Kümmere dich nicht um das Geschäft. Kümmere dich um deine Kunden und Mitarbeitenden. Der Rest kommt von alleine.

Vielleicht denken Sie jetzt: das tun wir doch auch. Für diese Information müssten wir nicht diesen Beitrag lesen. Aber tun Sie es wirklich, so wie ich Ihnen mein Konzept jetzt schildere und setzen Sie wirklich alles um, was so banal klingt, für den Erfolg aber elementar ist?

Wie könnte es also gehen, um mit Werten auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein? Und wie muss ein Unternehmen beschaffen sein, um gute Kräfte, die qualitäts- und kostenbewusst arbeiten, zu binden und neue zu finden?

Für mich ist dies ganz eindeutig und ich kann es auch aus meiner Zeit als Geschäftsführer der CBT nachweisen. Basis für diesen Erfolg war eine werte-orientierte Führungs- und Unternehmenskultur.

 

Auf dieser Grundlage habe ich in Anlehnung an Tom Peters das Konzept der tragenden Hand entwickelt und die in Unternehmen typische Organisationsstruktur umgedreht. An der Spitze stehen Kunden und Mitarbeitende, nicht die Vorstände oder Geschäftsführer.  Diese stehen unten und haben die tragende und dienende Aufgabe.

So ist im Unternehmen  alles darauf ausgerichtet, den Kunden hohe Qualität und den Mitarbeitenden optimale Arbeitsbedingungen zu bieten.

Hieraus abgeleitet nenne ich folgende Erfolgskriterien:

 

In den einzelnen Kapiteln bin ich mit folgenden Überschriften auf diese Erfolgskriterien eingegangen:

01:   Führung trifft auf Mensch
02:   Was macht ein ideale Führungskraft aus?
03:   Wer nur rechnet, verrechnet sich!
04:   Der Kunde ist die wichtigste Person
05:   Mitarbeitende sind das kostbarste Vermögen
06:   
Einfach Führen
07:   Sinn vermitteln
08:  Für Ziele sorge
09:  Organisieren
10:  Vertrauen
11:  Einstellung ändern

Nachdem ich in den vorigen Kapiteln überwiegend beschrieben habe, welche Voraussetzungen Führende schaffen müssen, um gute Mitarbeitende zu finden und zu binden, gehe ich heute der Frage nach, was Mitarbeitende selbst tun müssen, nämlich

Einstellung ändern, Viren ausrotten, Erfolge feiern, Verantwortung übernehmen.

Dieses Thema möchte ich von zwei Seiten aus beleuchten: zunächst einmal vom  Unternehmen her und von der Seite der Mitarbeitenden selbst.

Mehrfach habe ich ausgeführt, dass wertvoll an einem Unternehmen die Menschen sind, die hier arbeiten und die Einstellung, mit der sie es tun, erst recht in Sozialunternehmen.

Daher sollte man eigentlich erwarten, dass viele Träger und Geschäftsführungen großzügig in Mitarbeiter-Orientierung und soziale Innovationen investieren. Mein Eindruck ist jedoch, dass viele Sozialunternehmen zwar in ihren Glanzbroschüren die Mitarbeiter-Orientierung in den Mittelpunkt stellen, aber es defacto nicht tun.

Immer noch werden zunächst Pflichten der Mitarbeitenden eingefordert, ohne dass Träger und Geschäftsführungen entsprechende Vorleistungen erbringen. Viele Mitarbeitende fühlen sich unpersönlich behandelt und wenig gefördert. Ich behaupte, die Mitarbeiter-Orientierung hinkt der Marktorientierung hinterher. Ein tief greifender Bewusstseinswandel ist notwendig, der den Menschen in der Werte-Hierarchie des Unternehmens den zentralen Platz einräumt.

“Denn nur zufriedene Mitarbeiter können auch gute Gastgeber sein.”

Wenn Mitarbeitende sich im Unternehmen nicht wohl fühlen, werden sie auch den Bewohnern und Gästen, den Kunden also, nicht das Gefühl von Geborgenheit vermitteln können. Ihre Fähigkeiten und ihre Motivation allein bilden die Grundlage der Leistung und der Qualität.

In Sozialunternehmen garantiert nur der Mensch die Qualität. Mitarbeitende gilt es daher zu fördern durch gute Einarbeitung und Begleitung, durch Fortbildungen und Supervision, durch Ernstnehmen der Kompetenz und Kreativität, durch flexible Arbeitszeiten, durch Übertragung von Verantwortung und die Möglichkeit zu eigenverantwortlichem Arbeiten und zur Mitgestaltung ihre Arbeitsbedingungen.

Immer wieder ist zu lesen, dass weit über 50 Prozent der Mitarbeitenden demotiviert oder bereits in die innere Kündigung gegangen sind. Viele haben in ihrem Arbeitsfeld resigniert, weil sie immer wieder erleben müssen, dass sie nicht oder nur selten etwas bewegen können. Zudem wird überdurchschnittliches Engagement selten honoriert. Bereits nach drei Jahren steigen ausgebildete Fachkräfte in der Altenpflege wieder aus ihrem Beruf aus, nicht zuletzt wegen mangelnde Anerkennung, zu hohem Zeitdruck und familienfeindlichen Arbeitszeiten.

Gute Führung, eine effektive Organisation und eine wertschätzende Unternehmenskultur durchbrechen diesen Teufelskreis, wie ich es mehrfach in den vorigen Beiträgen ausgeführt habe. Nichts ist Arbeitnehmern so wichtig wie Anerkennung „von oben“. Neun von zehn Angestellten wünschen sich von ihrem Chef regelmäßiges konstruktives Feedback, zeigt eine Studie der ManpowerGroup aus dem Jahr 2017. Und laut Fehlzeiten-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK sind Beschäftigte sogar seltener krank, wenn sie sich wertgeschätzt fühlen. 

Doch in vielen Unternehmen kommt das Loben zu kurz.

Cartoon von Thomas Plaßmann

Dann ist es wichtig,  auch wenn ich derartiges Verhalten von “Vorgesetzten” blamabel finde, dass Mitarbeitende selbst initiativ werden und die Wertschätzung des Chefs ankurbeln, in dem sie ihn regelmäßig auf ihre Leistungen hinweisen, ohne angeberisch zu wirken. Um auf die eigene Leistung aufmerksam zu machen, ist es jedoch wichtig, sich selbst richtig einzuschätzen, Sonderaufgaben zu übernehmen, über Weiterbildungen zu sprechen, proaktiv Lösungen anzubieten, das Vier-Augen-Gespräch zu suchen, aber vor allem nicht zu jammern.

So komme ich zum zweiten Aspekt dieses Themas:
die eigene Einstellung des Mitarbeitenden.

Selbstverständlich brauchen vor allem Sozialunternehmen fachkompetente Mitarbeitende. Doch was nützt in der Arbeit mit und für Menschen die beste Fachkompetenz, wenn Freundlichkeit, Verlässlichkeit und Herzlichkeit fehlen. „Das Herz muss Hände haben, doch wehe, die Hände haben kein Herz“. 

Im Handel hat man schon längst festgestellt, dass für die meisten älteren Kunden die Fachkompetenz des Personals von nachgeordneter Bedeutung ist, man möchte in erster Linie freundlich, höflich und mit großer Aufmerksamkeit behandelt werden. Ich weiß nicht, ob die Zeiten wirklich vorbei sind, wo ich in einem Restaurant in Dortmund auf dem Schild an der Wand lesen konnte:
„Wir bitten unsere werten Gäste, mit dem Personal freundlich umzugehen.“

Ob es wohl an der deutschen Mentalität liegt, dass die Steigerungspotenziale bei der Freundlichkeit mindestens genauso groß sind wie die Möglichkeiten, organisatorische Ressourcen besser zu nutzen oder Kosten zu senken? Warum sollten Sozialunternehmen also auf eine Dienstleistung verzichten, die nichts kostet und gleichzeitig zu großer Kundenzufriedenheit führt? Ein freundlicher Mitarbeiter ist nicht teurer als ein unfreundlicher. Aber ein unfreundlicher Mitarbeiter kann dem Unternehmen unter Umständen teuer zu stehen kommen.

Eben diese Freundlichkeit, menschliche Wärme und Zuwendung sind auch nach einer Studie die wichtigsten Kriterien, die potentielle Kunden von einem Pflegeheim erwarten, Das Institut für Demoskopie in Allensbach hat in einer repräsentativen Umfrage die Frage gestellt, worauf potentielle Kunden bei einem Einzug in ein Pflegeheim besonderen Wert legen würden. Ethische Aspekte, Zuwendung und menschliche Wärme rangierten bei den Antworten noch vor der Professionalität der Pflege und medizinischen Betreuung.

Unternehmen brauchen also Mitarbeitende, die ihre Arbeit gerne tun, die durch eine positive Einstellung zu Ihrem Beruf und zu ihrem Arbeitsalltag zum Wohlbefinden der Bewohner und Gäste und zu einer angenehmen Atmosphäre beitragen, die fachkompetent. empathisch und freundlich sind und auf diese Weise gleichzeitig für die beste Öffentlichkeitsarbeit sorgen, damit auch für die effektivste Art, den eigenen Arbeitsplatz zu sichern.

Doch meistens herrscht immer noch in Pflegeheimen Unzufriedenheit und Jammern vor. Mitarbeitende müssen hier ihre Einstellung ändern, vor allem, wenn Unternehmen optimale Arbeitsbedingungen bereitstellen. Es gilt zwei typische, ansteckende und damit gefährliche Viren auszurotten:
„Jammern und Klagen“ und „Nicht-zuständig-sein“.

Das Klagen fördert auch eine Art von Dienstgemeinschaft. Wer jammert, ist nie allein, findet immer Kolleginnen und Kollegen, die sich gerne freiwillig anstecken lassen. Doch dies ist Energieverschwendung. Nutzbringender ist es, brauchbare Verbesserungsvorschläge zu machen und das eigene Unternehmen zu renovieren.

Denn keiner kennt die Schwächen und Probleme der betrieblichen Abläufe so gut wie die Mitarbeitenden, die täglich mit diesen Abläufen zu tun haben. Hier liegen nach wie vor nicht gehobene Innovationsschätze brach. Mitarbeitende können hier mit ihren besonderen Kenntnissen der alltäglichen Probleme oft erstaunliches Ideenreichtum entwickeln, wenn man sie nur lässt und Führende sie in die Entscheidungsprozesse einbezieht.

Doch viele Ideen verpuffen. Dies führt zu Frustration, weil es an Ermunterung zur Entfaltung von Kreativität fehlt, die Verfahren oft zu umständlich sind, weil es zu lange dauert, bis über die Vorschläge entschieden wird und weil es immer noch Führungskräfte geben soll, die gute Vorschläge zu verhindern wissen. Auch hier ist Einfachheit gefragt, die vorhandenen Innovationssysteme zu entrümpeln und frischen Wind in das Unternehmen zu bringen. Wenn ein Unternehmen noch nicht tot ist, heißt dies noch lange nicht, dass es auch lebendig ist.

Gerade vor dem Hintergrund immer knapper  werdender Ressourcen ist es überlebensnotwendig, nach innen zu schauen, auf das, was wir selbst beeinflussen und verändern können.

Kurt Martin – Schweizer Pfarrer und Schriftsteller(*1921) – hat mit einem schönen Wortspiel dies sehr deutlich gemacht: „Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin. Und keiner ginge, um einmal zu sehen, wohin man käme, wenn man nur ginge.“

Unternehmen, deren Mitarbeitende ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbstorganisation aufweisen, sind innovativer und erfolgreicher als ihre Mitbewerber und sichern so die Arbeitsplätze.  Doch in dieser Disziplin schneiden deutsche Unternehmen besonders schlecht ab. Lediglich 3 Prozent der Mitarbeiter bescheinigten hierzulande Ihrem Unternehmen ein hohes Maß an Eigenverantwortung am Arbeitsplatz. 50 Prozent finden, dass die Arbeit auf den Prinzipien des blinden Gehorsams funktioniert.

Das andere Virus heißt: „Nicht zuständig sein“. Die Weigerung Verantwortung zu übernehmen drückt sich auch in den Formulierungen aus: „Ich müsste…ich sollte…ich könnte…. das haben wir immer so gemacht……
Wer das sagt, der ersetzt das Handeln durch ein geschärftes Problembewusstsein. Die Geschäftsführung sagt ja auch nicht zu Ihnen:
„Gut, wir werden mal versuchen, Ihr Gehalt zu überweisen.“

Wie unterentwickelt das eigenverantwortliche Handeln teilweise noch ist, zeigt dieses typische Beispiel: Eine Bewohnerin kollabierte im Hausrestaurant. Die Mitarbeiterin der Hauswirtschaft läuft auf die nächst mögliche Gruppe um Hilfe zu holen. Antwort: „Die Bewohnerin kenne ich nicht, gehen Sie auf die andere Gruppe, da ich nicht zuständig bin.“ Oder: „Ich bin doch nicht dafür da, die zu suchen“, so Mitarbeiterin zu einer Angehörigen.

Äußerst beliebt bei Mitarbeitern sind auch die Formulierungen:
Das weiss ich nicht, davon habe ich noch nichts gehört.
Es gibt jedoch nicht nur eine „Bringschuld“ des Arbeitgebers. Es gibt gleichzeitig die „Holverpflichtung“ des Mitarbeiters.  Allerdings ist hier bei der Holschuld Vorsicht geboten, wenn es im Unternehmen heißt: „Es steht doch alles geschrieben und im Intranet kann man es nachlesen. Dem Wunsch der Mitarbeitenden nach mehr Transparenz bin ich auf den Grund gegangen und habe in vielen Einzelgesprächen herausgefunden: die Forderung nach Transparenz hatte nicht viel mit Informationsdurst zu tun.. Es ging den Mitarbeitenden um eine wertschätzende Resonanz auf ihre Arbeit.
Sie wollten nicht mehr Daten und Fakten, sondern von den Führungskräften gesehen werden. Es geht also mehr um Beziehungs- und nicht um Informationsgestaltung.

Weiterhin gern verwendete Äusserungen sind: „dafür bin ich nicht zuständig, beschweren sie sich bei der Heimleitung bzw. beim Träger“ u.a. mehr. Hierdurch entstehen immer wieder unnötige Konflikte mit Angehörigen.
So, wenn abends ein Anruf erfolgt, Verwaltung und Rezeption nicht mehr besetzt sind, die gestresste Mitarbeiterin des Pflegedienstes ans Telefon geht und mürrisch darum bittet, am nächsten Morgen wieder anzurufen. Ärger, Beschwerden sind vorprogrammiert.

Dies ließe sich ganz einfach vermeiden, wenn die Mitarbeiterin gesagt hätte: „Bitte haben Sie Verständnis. Ich versorge gerade eine Bewohnerin – es könnte ja sogar die Mutter der Anruferin- sein. Ich nehme ihren Anruf auf. Sie erhalten morgen eine Rückmeldung.“

Es wird weiterhin noch viel zu oft gefragt: „ Wer ist schuld“? statt:
Wie lösen wir das Problem“? Schuld hat, das ist sowieso klar, natürlich immer der andere. Einer von uns muss sich ändern und bei dem anderen fangen wir an.

Mit der Verschiebung der Verantwortung ging es schon sehr früh los, bezeichnenderweise im Paradies. Sie alle kennen die Geschichte:
„Adam versteckte sich mit seiner Frau unter den Bäumen des Gartens.
Gott rief Adam und sprach: „Wo bist du? Er antwortete: „Ich habe dich im Garten kommen hören, mich gefürchtet und versteckte mich“. Darauf fragte Gott: „Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe?“ Adam antwortete: „Die Frau, die du mir bei gesendet hast, sie hat mir von dem Baum gegeben und so habe ich gegessen“. Gott sprach zu der Frau: „Warum hast du das getan?“ Die Frau antwortete: „Die Schlange, sie hat mich verführt und so habe ich gegessen“.

Ein Glück, dass die Schlange nicht sprechen konnte. Sonst hätte sie wahrscheinlich etwas von der verlockenden Lieblichkeit roter Apfelpäckchen erzählt, der zu widerstehen ihr unmöglich gewesen sei.

Quintessenz dieser Geschichte: vor Gott und dem Leben ist eines klar, Ausreden gelten nicht. Wir selber können selbst verantwortlich wählen, entscheiden und handeln. Wer sagt, ich kann nicht, der will in der Regel nicht. Schon Seneca hat darauf hingewiesen: „Nicht Wollen ist der Grund, nicht Können nur der Vorwand“.

Auch die Rede von den Sachzwängen drückt meistens nur eine Verweigerungshaltung aus. Eng verbunden ist hiermit gerade in der Pflege das häufig beschriebene Burn-Out- Syndrom. Wie viele Seminare werden angeboten, um hier einen schleichenden Prozess des inneren Ausbrennen vorzubeugen, der sich in sinkender Belastbarkeit und in gesteigerter Anfälligkeit für Krankheiten äußert. Als Gründe werden genannt: Stress, fehlende Anerkennung, schlecht organisierte Arbeitsabläufe, sozialemotionale Verarmung und Sinnlosigkeit.

Zeit meines Berufslebens habe ich mich von folgendem Text  inspirieren lassen:

 „Ich werde täglich etwas tun – und ich werde nicht mit Vorurteilen mein Tun blockieren.
Ich werde nicht die Methode zerreden, bevor ich begonnen habe.
Ich werde anfangen! Ich werde etwas tun!
Ich weiss, dass sich meinem Tun Hindernisse in den Weg stellen.
Ich weiss aber auch, dass das Hindernis zum Leben gehört.

Deshalb wird es mich weder überraschen noch entmutigen.
Ich werde regelmässig weiter üben und die Vorstellungen Wirklichkeit werden lassen.
Wer das Tun vor die Kritik stellt, hat Erfolg.
Wer seine Unzulänglichkeiten bejaht und sie als Faktor erkennt,

wird sie überwinden.“ 

(Albertus Magnus 1193 – 1280)

Reinhard Sprenger sagt in seinem Buch „Das Prinzip Selbstverantwortung: „Opfer Stories. Die wahre Quelle des Phänomens ist fehlendes Bewusstsein der Wahlfreiheit, nicht bewältigte (aber selbst gewählte) Autonomieeinbußen. Das Gefühl, ausgeliefert zu sein, und nicht wie es heißen müsste, sich ausgeliefert zu haben. Doch wer sich ausgeliefert hat, kann das ändern, jederzeit. Er hat die Wahl, die Sachzwänge zu entlarven als das was sie immer sind: Menschenzwänge. Menschen zwingen sich. Sich dies bewusst zu machen, ist besonders wichtig in Zeiten, in denen man Unwahrhaftigkeit als zwangsreduzierte Ehrlichkeit etikettiert.“

Wir selbst sind also die wichtigste Quelle unser Zufriedenheit, nicht unsere Arbeit. Um Arbeitsfreude zu erleben, müssen wir bereit sein, voll zu dem zu stehen, was jetzt ist. Ja sagen. Nicht weil von außen gesagt wird, wie wertvoll diese Arbeit ist, sondern ausschließlich deshalb, weil wir diese Arbeit bewusst gewählt haben. Lieben wir, was wir tun. Machen wir unsere Arbeit mit Liebe und Hingabe, mit Begeisterung und Enthusiasmus. Enthusiasmus kommt vom griechischen „entheos“ gleich mit Gott, was man so deuten könnte: mit der Energie Gottes tun. Sagen wir ein volles Ja zu unserem Handeln oder lassen wir es ganz.

Auch wenn wir mit vielem in der Politik, in unserem Land oder im Unternehmen unzufrieden sind. Man hat dennoch immer eine Wahlmöglichkeit: nämlich die innere Einstellung. Wir können vielleicht nicht immer den Wind bestimmen, aber wir können die Segel richtig setzen. Arbeit macht Spaß oder krank. Wer seine Arbeit nicht liebt, kann es sich nicht leisten, sie zu behalten. Wer also etwas mit Liebe und Hingabe tut, erlebt dadurch Glück und Zufriedenheit im selben Maße. Wer seine Aufgaben nur mit halber Energie erledigt, erhält auch nur halbherzige Ergebnisse. Nur das, was wir geben, erhalten wir auch zurück.

In einem Buch von Tom Peters habe ich – auch wenn die Telefon-Technik heute eine andere ist – hierfür ein schönes Beispiel gelesen, wie alles zu etwas Besonderem werden kann : Von solch einer Einstellung, von solch einem Bewusstsein erzählt der Autor Harvey Mc Key, als er in New York mit dem Taxi zum Flughafen fährt:

Als erstes überreicht mir der Fahrer ein Papier, auf dem steht: „Hi, ich heiße Walter. Ich bin Ihr Fahrer. Ich bringe Sie sicher, pünktlich und vor allem höflich an Ihr Ziel.“ Eine Missionserklärung von einem Taxifahrer! Dann hält er mir eine New York Times und eine USA Today hin und fragt mich, ob ich sie haben will. 

Dann bietet er mir einen kleinen Korb mit Snacks an. Als nächstes fragt er: „Hören Sie lieber Hardrock oder klassische Musik?“ Er hat vier Kanäle zur Auswahl. 

In der Folge zählt Mackey noch weitere Vorteile auf, wie zum Beispiel ein schnurloses Telefon, das zu seiner Verfügung steht. Abschließend stellt er fest: „Und wissen Sie was? 

Der Mann verdient im Jahr 12.000 bis 14.000 Dollar zusätzlich mit Trinkgeldern. Das Trinkgeld, das ich ihm gegeben habe, hätten Sie sehen sollen. Unglaublich.“

Ist es nicht großartig, wenn eine ganz banale Taxifahrt zu einem besonderen Erlebnis wird? Solch ein Bewusstsein in Sozialunternehmen – wir hätten nur noch begeisterte Bewohner, weil wir begeisterte Mitarbeiter hätten.

Mitarbeitende müssen also selbst Verantwortung für ihre Einstellung tragen und gute Führung muss dazu beitragen, dass Mitarbeitende lernen, sich selbst, ihre Arbeit und ihren Beruf wert zu schätzen, stolz auf ihre Leistung zu sein und ihre Erfolge sichtbar zu machen. Doch meistens werden immer noch Defizite und Probleme thematisiert, statt über die Erfolge der Arbeit neue Motivation und Freude zu erleben.

Die Erfolge müssen regelmäßig beschrieben und kommuniziert werden. Dazu zählen z.B. in der Pflege 

    • die wiedergewonnene Autonomie, 
    • die erhaltene oder neue Lebensfreude der Bewohner, 
    • das Überflüssig-Machen lebenseinschränkender Maßnahmen, 
    • das Aufrechterhalten sozialer Netzwerke, 
    • die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, 
    • das Verhindern von Risiken oder 
    • die Absenkung der Pflegestufe infolge guter fachlicher Arbeit.

So entwickeln Mitarbeitende Stolz auf die eigene Arbeit und erreichen damit auch eine andere, verbesserte gesellschaftliche Anerkennung. 

Führende müssen also dafür sorgen, dass Menschen lernen, Verantwortung für sich, ihre Arbeit und ihre Leistung zu übernehmen. Aufgabe von Führenden ist es daher auch, jedem einzelnen Mitarbeiter zu vermitteln, welchen Beitrag er zum Ganzen leistet.

Ganzheitliches Denken heißt, an das Ganze denken, wie bei einem Orchester, wo jedes einzelne Instrument zum Gelingen der Sinfonie seinen Beitrag leistet. Hieran krankt die Altenpflege noch gewaltig. Der Grund für den Misserfolg ist: viele Orchester, dieselbe Konzerthalle, aber alle spielen verschiedene Stücke.

Entscheidend für eine erfolgreiche Organisation jedoch ist, dass sich alle auf dasselbe Notenblatt konzentrieren. Jeder Spieler eines Musikinstrumentes ist als Individuum ein Experte, der sein Instrument beherrscht und das Beste aus diesem herausholen kann. Aber erst im guten Zusammenspiel entsteht ein Konzert, Harmonie und umfassender Musikgenuss, also ein Kunstwerk in seiner Vollendung.

Um dies zu erreichen sind Profis verschiedener Disziplinen erforderlich.
Alle müssen einander zuspielen, ihr Bestes geben und der
„gemeinsamen Musik“ dienen, so wie wir es immer wieder in Orchesteraufführungen erleben und genießen können. 

Angehörige, Ehrenamtliche und Bürger sind im Sinne einer geteilten Verantwortung gleichwertige Mitglieder dieses Orchester-Ensembles.
Und hierbei spielt in der Pflege immer der Bewohner die erste Geige. Mitarbeitende spielen die begleitende Melodie. Der Bewohner ist der Solist. Wenn die begleitenden Instrumente den Solisten übertönen, haben sie aufgehört, Begleiter zu sein.

Zum größeren Ganzen beitragen, bewirkt auch jene Motivation, die unabhängig ist von Vorgesetzten. Die Kenntnis des Ganzen, der Dienst am Ganzen, das Bewusstsein, einen wichtigen Beitrag zu leisten, fördert eine größere Motivation und stabilisiert die Organisation viel mehr, als es “Motivations -Künstler“ überhaupt können.

Cartoon von Thomas Plaßmann

Und daher wiederhole ich noch einmal: Mitarbeitende, die ihre Arbeit gerne tun, die durch eine positive Einstellung zu Ihrem Beruf  zum Wohlbefinden der Bewohner und Gäste beitragen, sorgen somit für die beste Öffentlichkeitsarbeit und damit auch für die effektivste Art, den eigenen Arbeitsplatz zu sichern.

Ich kenne übrigens keinen Bereich der deutschen Volkswirtschaft, der über sich selbst so schlecht redet wie die Pflege. Und dies trotz der enormen Bedeutung für die Gesellschaft.

Hierbei ist in der modernen Arbeitswelt  Wertschätzung eine Schlüsselgröße für Qualität, Innovation, wirtschaftlichen Erfolg sowie Gesundheit und Zufriedenheit am Arbeitsplatz.

Die Folgen mangelnder gesellschaftlicher und auch unternehmensinterner Wertschätzung sind dramatisch: Fachkräftemangel, hohe Fluktuation und schwacher Marktwert der Dienstleistung. Anerkennung von außen, Stolz auf die eigene Leistung und eine wert-schätzende Unternehmens- und Führungskultur durchbrechen diesen Teufelskreis.

Partizipation, Transparenz, Anerkennung, klare Verantwortungszuordnung, Vertrauen und Wertschätzung sind also die bedeutenden Indikatoren, die auf das Erleben von hoher oder niedriger Arbeitszufriedenheit einwirken.

Der deutsche Altenpflege- Monitor bestätigt, 

    • dass 90 Prozent der Fachkräfte und 
    • 88 Prozent der Leitenden Pflegefachkräfte trotz deutlich wahrgenommener Belastungen gern in der Altenpflege arbeiten. 
    • 76 Prozent erklärten, dass sie sich für eine Tätigkeit in der Altenpflege entschieden haben, weil das eine Arbeit mit und für Menschen ist.

Diese starke Motivation und hohe Identifikation mit dem Beruf ist ein Pfund, das Politik, Träger und Führungskräfte nutzen müssen durch gute Rahmen- und Arbeitsbedingungen.

Wenn allerdings gute Arbeitsbedingungen weiterhin die Ausnahme sind und die Politik nicht für eine ausreichende Stellenbesetzung sorgt, ist zu befürchten, dass die oben beschriebene starke Motivation und hohe Identifikation mit dem Beruf sich in Frustration wandelt und langfristig dazu führt, das das gesamte Pflegesystem kollabiert.

Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag:
“Pflege anders denken. Was sich ändern muss!”