“PFLEGE IST TOLL UND ANSPRUCHSVOLL”

Kennen Sie Lea Weigend? Wenn nein, dann sollten Sie sie unbedingt kennen lernen, vor allem, wenn Sie in der Pflege tätig sind oder für Pflegende Verantwortung tragen.

Lea Weigend beschreibt in poetischer Form, einfühlsam und berührend die Probleme, aber auch die Schönheit ihres Berufes. 

Ihr Poetry Slam „Ungepflegt“ ist ein leidenschaftlicher Appell an alle Führungskräfte im Gesundheitswesen,  an die Gesellschaft und die Politik, notwendige Veränderungen endlich herbeizuführen und Arbeitsbedingungen mit den Erfolgsfaktoren „Wertschätzung, Beteiligung, adäquate Bezahlung, kürzere Dienstzeiten u.a.“  zu schaffen, wie ich sie als damaliger Geschäftsführer der CBT erfolgreich praktiziert habe.

Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag: “Keine Luft zum Atmen – Altenpflege am Limit” 

Mehr Transparenz der Pflegeheim-Qualität nötig

Die Frage nach einem geeigneten Pflegeheim steht meist am Ende eines langen Entscheidungsprozesses zur Gestaltung der letzten Lebensjahre, wenn das Leben und die Versorgung in den eigenen vier Wänden nicht mehr möglich ist. Der ältere Mensch ist dann auf zuverlässige Informationen über die Qualität von Pflegeheimen angewiesen. Doch hier offenbart sich ein gravierendes Transparenzproblem.

Alle deutschen Bundesländer wissen ziemlich genau, wie viel Personal in jedem einzelnen Pflegeheim ihres Landes tatsächlich im Einsatz ist – doch nur sehr wenige teilen diese und weitere qualitätsentscheidenden Fakten mit den Menschen, die es angeht. Das ergab eine Bestandsaufnahme der “Weissen Liste” der Bertelsmann Stiftung. Die “Weisse Liste” soll Patienten befähigen, fundierte Wahlentscheidungen zu treffen. Sie will Transparenz über die Qualität von Gesundheitsanbietern schaffen und damit auch den Wettbewerb um Qualität fördern.

Dass dies dringend nötig ist, zeigt der Flickenteppich  der  landesgesetzlichen Regelungen. Manche Länder sorgen sehr gut für Transparenz, in anderen ist das kein Thema. Und einige Länder, in denen das Gesetz eine Verbraucherinformation vorschreibt, schaffen es nicht, dies auch in die Praxis umzusetzen. Darüberhinaus werden  Prüfergebnisse hierzu in den meisten Bundesländern unter Verschluss gehalten.

Wo es genau hakt und was sich ändern muss, nimmt die Studie der Bertelsmann Stiftung “Qualitätstransparenz in Pflegeheimen” unter die Lupe.

Keine Luft zum Atmen – Altenpflege am Limit

Die aktuelle Studie “Altenpflege im Fokus 2021” von Vincentz Network, Deutscher Berufsverband der Pflegeberufe und Cogitaris GmbH bestätigt, was seit Jahren in der Pflege bekannt ist und ich bereits seit 1990 anmahne: Die Personaldecke ist zu dünn. Um Mitarbeitende zu halten und neue zu gewinnen, braucht es bessere Rahmenbedingungen: mehr Personal, bessere Führung (S. 38) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Die Ergebnisse der Befragung von Pflegefachkräften in Pflegeheimen stellen der Gesundheits- und Pflegepolitik der letzten  Jahre kein gutes Zeugnis aus. Die überwältigende Mehrheit (96 Prozent) glaubt nicht einmal, dass “die Politik” die Lage verstanden hat und zuverlässig bemüht ist, sie zu verbessern. Auch von den Ergebnissen der Konzertierten Aktion und dem Sofortprogramm erwarten 92% keine Verbesserungen für die Pflegenden, eine erschreckende Ernüchterung und Enttäuschung. 

Die chronisch unzureichende Personalausstattung ist Hauptursache für einen Großteil der Belastungen und Frustrationen der Mitarbeitenden. Denn dieser Mangel macht es immer schwieriger – so 68 Prozent der Befragten – eine gute und qualitätsvolle Pflege zu gewährleisten, es fehlt Zeit für die zu Pflegenden und fast alle Antwortenden haben regelmäßig das Gefühl, dem eigenen fachlichen Anspruch nicht gerecht zu werden. Mehr als 75 Prozent derBefragten beklagen darüberhinaus negative Auswirkungen auf das Privatleben. All dies zusammen lässt den eigentlich schönen und wertvollen Beruf grundsätzlich für alle unattraktiv erscheinen. 40 Prozent der Befragten überlegen, in den nächsten fünf Jahren den Beruf aufzugeben und zusätzlich 21 Prozent werden in diesem Zeitraum Rente gehen. 

Das Kind ist also längst in den Brunnen gefallen. Wo sollen denn auf einmal Pflegefachkräfte herkommen, wenn über 30 Jahre lang die Entwicklung verschlafen wurde und in Deutschland generell ein Fachkräftemangel gegeben ist?  Soll man jetzt wieder einmal Hoffnung auf die neue Bundesregierung setzen?

Lesen Sie auch meinen Beitrag “Pflege neu denken! Was sich ändern muss!”

AdventsZeit

 

Foto:FJS

Das Licht kommt von oben und erhellt die Kapelle.
Das Licht steht für das Immaterielle, für den Geist, den wir nicht zu fassen vermögen. Und doch verwandelt das Licht nicht nur den Raum der Bruder-Klaus-Kapelle in Mechernich, sondern auch unseren inneren Raum. Wenn alles in uns erleuchtet wird, auch das Dunkle, das, was wir am liebsten vor uns und den Menschen verbergen möchten, dann werden wir selbst zum Licht. (Vgl.Eph 5,12f)

                                             Anselm Grün

Interview zur aktuellen Lage der Pflege in der alternden Gesellschaft

Das KDA – Kuratorium Deutsche Altershilfe e.V. – verfolgt das Ziel, eine humanere Gesellschaft des langen und selbstbestimmten Lebens aktiv mit zu gestalten und stärkt durch seine Arbeit das wertschätzende Zusammenleben jeden Alters. Als Ideengeber und Vorreiter für innovative Lösungsansätze leistet das KDA wertvolle Dienste für das Gemeinwesen.

Das KDA steht unter der Schirmherrschaft des jeweils amtierenden Bundespräsidenten, der auch die Vereinsmitglieder – Kuratorinnen und Kuratoren – beruft. 

Seit 2004 bin ich Kurator und habe von 2013 bis 2019 im Aufsichtsrat mitgewirkt. 

Aktuell hat der Kuratoriumsbeauftragte des KDA ein Interview mit mir geführt und mich zur Lage der Pflege in unserer alternden Gesellschaft befragt.

Ich würde mich freuen, wenn dieses Interview  Ihr Interesse findet. 

Nichts dazu gelernt? – Teil 2

Nach wie vor ist Pflege in der Politik nur ein Randthema, obwohl vor dem Hintergrund der alternden Bevölkerung neben der Klimakrise das wichtigste gesellschaftspolitische Thema überhaupt.

Doch wir haben in Deutschland kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.

Niemand soll sagen, man hätte es nicht gewusst. 

Bereits 1991 wurde von mir in der Zeitschrift Altenpflege 7/91 in dem Artikel „Die Situation wird bedrängend –  Bricht die Pflege zusammen, weil die Personalschlüssel nicht ausreichen“
der Pflegenotstand beschrieben und eine Lösung vorgeschlagen. 

Diesen Beitrag finden Sie hier.

Und 2003 habe ich in einem Vortrag mit dem Thema
 „Das Älterwerden hat seinen Preis –  was sind uns die Alten wert?“ 
die demographischen Fakten und die Pflegesituation beschrieben und gesagt:
“Deutschland schreitet unvorbereitet in Richtung Altenrepublik, rast sehenden Auges in eine Pflegekatastrophe und kaum einer tut etwas.“

Lesen Sie bitte meinen Vortrag “Was sind uns die Alten wert?” und beurteilen Sie selbst, ob nicht schon damals alle Fakten auf dem Tisch lagen und dass sich seitdem dennoch so gut wie nichts geändert hat.

Nichts dazu gelernt? – Teil 1

Es gibt wieder Corona-Ausbrüche in Pflegeheimen. Es sterben wieder Menschen an Covid-19, hochbetagte und pflegebedürftige Menschen, denen durch Politik und Träger ein besonderer Schutz versprochen wurde. Laut dem Robert-Koch-Institut sind es deutschlandweit inzwischen 93 Tote.
Tendenz steigend.

Wiederholt sich die dunkelste Phase der Pandemie in Deutschland? Müssen wir uns wieder auf zahlreiche Corona-Tote in Pflegeheimen und das „Einschliessen“ der Bewohner einstellen, obwohl Impfstoffe und Tests zur Verfügung stehen und das Nachlassen der Immunität bei älteren Menschen bekannt ist?

Die Toten in den Pflegeheimen zeigen, dass die Pandemie eben nicht zu einem Problem der Unge- impfen geworden ist. Sie ist weiterhin ein Problem, das die ganze Gesellschaft betrifft. Wenn die Zahl der Toten in den Pflegeheimen weiter steigt, dann wurden immer noch nicht die richtigen Lehren aus der Pandemie gezogen.

Dann haben die Verantwortlichen in Deutschland versagt. Denn wir haben alle Mittel, um gefährdete Menschen in den Pflegeheimen zu schützen. Es muss so schnell wie möglich eine Auffrisch-Impfung erfolgen. Träger und Mitarbeitende müssen wissen, dass eine 2 G-Regel für Besucher und Pflegende nicht ausreicht. Der Impfschutz ist nicht steril, Geimpfte können das Virus weitergeben, auch wenn sie selbst nicht erkranken.

Jeder, der mit besonders gefährdeten Menschen zu tun hat, sollte also getestet sein. Und wer in einem Pflegeheim arbeitet, egal ob geimpft oder nicht, muss die Verantwortung übernehmen und die ihm anvertrauten Menschen schützen. Hier gilt: Testen, Mundschutz und Hygiene und dies alles ganz konsequent. Auch die Diskussion um die Impf-Pflicht im Gesundheitsbereich darf hierbei kein Tabuthema sein.

Ich plädiere dafür, dass Pflegende sich impfen lassen sollen, auch für ihre eigene Sicherheit, die ihre Kolleginnen und Kollegen, die ihrer Familien und für die ihnen anvertrauten Menschen und deren Angehörigen. Jeder nicht geimpften Pflegekraft empfehle ich den Bericht im Spiegel 8/2021
” Ein Riesenfehler” der Altenpflegerin Barbara Meier, die im Klinikum Nürnberg auf der Intensivstation lag und sagt: „Sie habe die Warnungen vor Corona für übertrieben gehalten und eine Impfung abgelehnt. Nun bereue sie es“.

Auf Grund der obigen Argumente und der sich weiter verschärfenden aktuellen Situation will ich es noch klarer formulieren und zitiere den Philosophen Isaiah Berlin der einmal gesagt hat:
„Freiheit der Wölfe ist der Tod der Lämmer“. 

Dieser Satz leuchtet jedem sofort ein: die eigene Freiheit endet dort, wo sie dem anderen schadet. Und in Deutschland laufen derzeit viele Wölfe durch Städte und Dörfer und auch Pflegeheime. 

Es ist unverantwortlich und ein Skandal, dass in Pflegeheimen Menschen sterben, weil sich ein Teil der Mitarbeitenden der Injektion verweigert. Man könnte fast von fahrlässiger Tötung sprechen. Wer so seinen Beruf ausübt, hat jeden Verantwortungssinn verloren. Daher wird immer häufiger eine Impfpflicht bestimmter Berufsgruppen gefordert. Pflegende gehören mit Sicherheit dazu. Wenn nicht sie, wer dann?

Aber müssen wir nicht noch einen Schritt weitergehen? Wenn die Wissenschaftler uns sagen, dass die Pandemie dann vorbei ist, wenn 90 bis 100 Prozent der Bevölkerung geimpft ist, bedeutet das dann nicht, dass wir in Deutschland eine Impfpflicht dringend brauchen?