Pflegereform oder Etikettenschwindel?

Die Bundesregierung hat jetzt eine Pflegereform vorgestellt. Seit Jahren hat sie immer wieder versucht, die Lage in den Kliniken und vor allem auch in den Pflegeheimen zu verbessern. Was sind die größten Baustellen?

Personal

Das wohl größte Problem der Pflege bleibt weiterhin der Fachkräftemangel. 2018 versprach Minister Spahn 13.000 neue Stellen in der Altenpflege zu finanzieren. Doch schnell wurde klar, das Geld allein kaum hilft. Nach Angaben des Spitzenverband der Krankenkassen GKV sind seitdem lediglich knapp 3000 dieser Stelle tatsächlich besetzt. 

Neben dem Fachkräftemangel ist meines Erachtens das noch viel größere Problem die tägliche personelle Unterbesetzung. Bereits 1991 – also vor 30 Jahren !! – habe ich offensichtlich als Erster in Deutschland in einer eigenen Unternehmensstudie  die tägliche personelle Unterbesetzung von circa 30 Prozent nachgewiesen. Und seit dieser Zeit ist so gut wie nichts geschehen. 

Jetzt wird die Politik endlich gezwungen, das Kernproblem der Altenpflege zu lösen.

Auslöser ist offensichtlich die Personal-Bemessungsstudie von Prof. Dr. Heinz Rohgang und seinem Team der Universität Bremen, die die Ergebnisse meiner Untersuchung bestätigt und nachweist, dass sogar 36 Prozent mehr Personal in der vollstationären Pflege erforderlich ist, um die anfallenden Aufgaben sach- und fachgerecht ausführen zu können.

Ein weiteres Ziel des Gesundheitsministeriums ist es, Pflegekräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Die Erfolge sind bescheiden. So wurden 2019 circa 15.500 ausländischer Abschlüsse in der Gesundheits und Krankenpflege anerkannt. Wichtige Herkunftsländer dieser Pfleger waren dabei die Philippinen, Bosnien-Herzegowina und Albanien.

Vergütung 

Entgegen der immer wieder in der Öffentlichkeit diskutierten schlechten Bezahlung der Pflegekräfte sind dem Statistischen Bundesamt zufolge die Bruttolöhne der Pflegekräfte sowohl in Kliniken wie auch in Pflegeheimen seit 2010 um ein Drittel gestiegen. In den Pflegeheimen beträgt die Zunahme sogar 38,9 Prozent. Damit fällt die Steigerung deutlich stärker aus als in der Gesamtwirtschaft des produzierenden Gewerbes und der Dienstleistungen. So verdienten im vergangenen Jahr Pfleger in Kliniken im Durchschnitt 3578 € brutto im Monat, in Pflegeheimen 3363 € und in Altenheimen 3291 €.

Die Abweichungen sind vor allem auf die Tarif Löhne zurückzuführen, die meist in der Krankenpflege gezahlt werden. In der Altenpflege ist dies nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums nur bei der Hälfte der Fachkräfte der Fall. nur 59 Prozent der Pflegenden werden nach Tarif bezahlt 

Diese Diskrepanz war unter anderem auch Anlass für die am Mittwoch vom Kabinett auf den Weg gebrachte Pflegereform. Ein verbindlicher Tarifvertrag für die gesamte Branche ist bisher gescheitert.  Nun sollen ab dem 1. September 2022 Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden dürfen, die nach Tarifverträgen oder mindestens in entsprechender Höhe bezahlen.

Arbeitsbedingungen

Die meisten Pflegekräfte arbeiten im Schicht und Wochenenddienst und erlebten bereits lange vor der Pandemie einen physisch sowie emotional belastenden Arbeitsalltag. Diese belastende Situation lässt sich weniger mit einem höheren Gehalt abfedern, sondern vor allem durch mehr Kolleginnen und Kollegen pro Schicht und damit weniger Belastung und Stress.

In jeder Schicht eine tägliche personelle Unterbesetzung von mindestens 30 Prozent und gleichzeitig zu lange Dienstzeiten mit 11 Arbeitstagen am Stück führen zu Arbeitsverdichtungen, Fließbandarbeit, Krankheit, Burnout, Unzufriedenheit, Frustration und damit auch zu Fehlern, Mängeln in der Pflege, und zu Missständen.

Hier liegt also der dringende Handlungsbedarf und nicht in erster Linie in der Auszahlung von Boni und mehr Gehalt. Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag Pflege neu denken! Was sich ändern muss!

Vor dem Hintergrund der personellen Unterbesetzung hat das Gesundheitsministerium 2019 in den Kliniken die so genannten Pflegepersonal-Untergrenzen eingeführt, die festlegen, wie viele Patienten eine Krankenhauspflegekraft maximal betreuen darf. Gesundheitsexperten und Krankenkassen kritisieren diese Untergrenzen als deutlich zu niedrig. Diese definierten nicht „gute Pflege“ sondern seien ein absolutes Mindestniveau, um Patientengefährdung zu verhindern, heißt es aus dem GKV Spitzenverband.

In der Altenpflege dagegen wird ein Verfahren erprobt, das auf Basis der Bewohnerstruktur den Personalbedarf ermittelt. So werden keine pauschalen Mindestvorgaben gemacht, sondern pro Heim der genaue Pflegebedarf und das dafür notwendige Personal berechnet. Dieses Instrument schafft somit die Grundlage für Neueinstellungen, wenn der Markt diese dann auch hergibt.

Ausbildung

Die Ministerien Gesundheit, Familie und Arbeit verkündeten Anfang 2019, die Zahl der Pflege-Azubis und ausbildenden Einrichtungen bis 2023 im Bundesdurchschnitt um 10 Prozent steigern zu wollen. Im Jahr 2019  begannen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 71.300 Menschen eine Ausbildung in einem Pflegeberuf, immerhin 8 Prozent mehr als im Vorjahr und 39 Prozent mehr als noch vor zehn Jahre. Allerdings schlossen in dem Jahr lediglich 62 Prozent die Ausbildung auch tatsächlich ab.

Kontraproduktiv ist allerdings, dass lediglich 62 Prozent der Pflegeheime und nur 35,3 Prozent der ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste Ausbildungen anbieten.

Eckpunkte der Pflegereform

Um die finanzielle Belastung der Bewohnerinnen und Bewohner in Grenzen zu halten, soll deren Anteil an den Pflegekosten im ersten Jahr des Heimaufenthaltes um 5 Prozent sinken. Im zweiten Jahr übernimmt die Pflegekasse 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent des Eigenanteils.

Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sind von dieser Regelung ausgenommen.

In der ambulanten Pflege sollen die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung um 5 Prozent steigen. 

Weitere Regelungen betreffen die Arbeit der Pflegekräfte. Sie sollen mehr Entscheidungsbefugnisse bei der Auswahl der richtigen Hilfsmittel und in der häuslichen Versorgung von Pflegebedürftigen erhalten. 

Für Pflegeheime soll künftig ein einheitlicher Personalschlüssel gelten, um die Einstellung zusätzlicher Pflegekräfte zu ermöglichen. 

Zur Finanzierung sind ein Bundeszuschuss von 1 Milliarde €  jährlich für die Pflegekassen sowie eine Anhebung des Pflegebeitrages für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte vorgesehen. Dies soll etwa 400 Millionen € ausmachen. 

Sozialverbände und Opposition kritisieren die Neuregelung als unzureichend. Auch gibt es Zweifel an der Finanzierung und daran, ob die Entlastungen überhaupt bei den Pflegebedürftigen ankommen.

Private Anbieter von Pflegeeinrichtungen sprechen ihrerseits von einer Existenzgefährdung ihrer Unternehmen durch die Pflicht zur Zahlung von Tariflöhnen und kündigten dagegen juristische Schritte an.

Hart ins Gericht mit dieser Pflegereform geht Prof. Dr. Stefan Sell in seinem Beitrag „Kurz vor dem „Nichts geht mehr“: Die „Pflegereform“ auf der Zielgeraden. Anmerkungen zu einem Etikettenschwindel mit Luftbuchungen inmitten von Flickschusterei”.

 

Gruss zum Tag der Pflege

Bereits zum zweiten Mal steht der Internationale Tag der Pflegenden im Zeichen der Corona-Pandemie. Die Dauerkrise hat eines deutlich hervorgebracht: selbst in Zeiten überdurchschnittlicher Belastung ist es überwiegend gelungen, mit guter Führung und mit engagierten Mitarbeitenden  die qualitative pflegerische Versorgung sicherzustellen. Neben der verdienten Wertschätzung ist es jetzt an der Zeit für eine klare Analyse und dringende Reform der Pflege.

Die Pandemie wirkt auch hier wie ein Brennglas, das die Probleme deutlich zum Vorschein bringt. Die eigentliche Herausforderung liegt im Umgang mit der demografischen Entwicklung, in der immer mehr Pflegebedürftige immer weniger Erwerbstätigen gegenüberstehen. Nur mehr Geld für mehr Leistungen und bessere Bezahlung wird nicht verhindern können, dass es zu immer größeren Versorgungslücken und immer mehr Arbeitsverdichtung in der professionellen Pflege kommen wird.

Bisher lässt die Diskussion um eine Reform der Pflegeversicherung eine klare Analyse vermissen, was zukünftig mit den vorhandenen Ressourcen leistbar sein wird. Bleibt sie aus, wird das System der Pflegeversicherung weiter erodieren und Vertrauen verspielt. Nur Geld, gute Worte und das redliche Bemühen aller werden nicht ausreichen, um in Zukunft zu bestehen.

Die Evangelische Heimstiftung Stuttgart hat heute am 12. Mai mit einem „Gruss zum Tag der Pflege“ eine Videobotschaft  an die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Ziel geschickt, die Pflegereform noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. 

Lesen Sie auch zu dieser Thematik meinen Beitrag:
Pflege neu denken! Was sich ändern muß!

Strukturreform Pflege

Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) – dessen Kurator ich
seit 2004 bin –  hat im Rahmen seiner Diskursreihe „radikal (neu) denken“ einen Text zum pflegepolitischen Reformdiskurs: „Strukturreform PFLEGE und TEILHABE II – Pflegepolitik als Gesellschaftspolitik“ veröffentlicht.

Das Strategiepapier von Prof. Dr. habil. Thomas Klie, Staatssekretär Michael Ranft und Diplom-Volkswirtin Nadine-Michèle Szepan stellt die Bedingungen guten Lebens für auf Pflege angewiesene Menschen in den Mittelpunkt und betont die Bedeutung der Kommune.

Das KDA leistet mit dieser Publikation aus dem Kreis seiner Kuratorinnen und Kuratoren einen erneuten Beitrag zur Pflegereformdebatte. 

Das Strategiepapier finden Sie hier:

Kurzfassung:

Langfassung

Ostern 2021

„Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln“

Hoffnungsfest Ostern – Das hat der Theologe Dietrich Bonhoeffer in dunklen Zeiten gesagt. Warum? Weil Ostern Hoffnung macht! Für Christen bedeutet Ostern die Gewissheit, dass der Tod und das Bedrückende nicht das letzte Wort haben.

Gerade jetzt in dieser Pandemie ist diese Botschaft wichtiger denn je!

So wünsche ich Ihnen, den Lesern und Besuchern meiner Homepage, in dieser schweren Zeit
hoffnungsvolle, gesegnete Ostern.

Mut-Ausbruch

Die enorme gesellschaftliche Bedeutung der Pflege ist der Bevölkerung in dieser Corona-Pandemie noch deutlicher vor Augen geführt worden. Ob die Politik jedoch die in dieser Krise noch dramatischer gewordenen personellen und strukturelle Defizite zum Anlass nimmt, endlich die längst überfälligen und seit langem geforderten Reformen durchzuführen, bleibt zweifelhaft.

Ich erinnere nur an meine Untersuchung von 1991- also vor 30 Jahren !! – in der ich eine tägliche personelle Unterbesetzung von circa 30 Prozent in jedem deutschen Pflegeheim nachgewiesen habe. Lesen Sie hierzu den Artikel:
“Pflegenotstand – Der Skandal in der Altenpflege”.

Seitdem ist so gut wie nichts geschehen.

Daher befürchte ich, dass wegen dieser personellen Defizite und der jetzigen Überforderung durch die Pandemie noch mehr Pflegekräfte berufsmüde sind und aus der Pflege aussteigen.

Die Pflege fühlt sich nach einer Online-Befragung durch den DBfK – Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe – in der Corona-Pandemie nicht gut geschützt. Ein Drittel der befragten Pflegekräfte denkt regelmäßig über einen Berufsausstieg nach.

Dabei wäre gerade jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass Pflegekräfte sich ihrer großen Bedeutung für die Gesellschaft bewusster werden, nicht klagen und jammern, sondern mit einer Stimme sprechen und notwendige Veränderungen von der Politik einfordern. 

In meiner Zeit als Geschäftsführer eines renommierten Sozialunternehmens habe ich jahrzehntelang politisch für gravierende Veränderungen gekämpft und gleichzeitig in „meinem“ Unternehmen optimale Arbeitsbedingungen geschaffen, was auch die mehrfachen Auszeichnungen „Beste Arbeitgeber Deutschlands bzw. im Gesundheitswesen belegen. Lesen Sie hierzu auch meine Beiträge zum Thema Führung und Management und hier besonders das Kapitel Mitarbeitende sind das kostbarste Vermögen.

Doch auch die Pflegekräfte selbst müssen noch viel selbstbewusster und mutiger auftreten. Sie müssen lernen, sich selbst, ihre Arbeit und ihren Beruf wertzuschätzen, stolz auf ihre Leistung zu sein und ihre Erfolge sichtbar zu machen. So habe ich jedes Heim verpflichtet, jährlich die Pflegeerfolge zu beschreiben und zu kommunizieren. Dazu zählen die wiedergewonne Autonomie, die erhaltene oder neue Lebensfreude der Bewohner, das Überflüssigmachen lebenseinschränkender Maßnahmen, das Aufrechterhalten sozialer Netzwerke des Bewohners, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, das Verhindern von Risiken oder die Absenkungen der Pflegestufe in Folge guter fachlicher Arbeit. So entwickeln Mitarbeitende Stolz auf die eigene Arbeit und erreichen damit auch eine andere, verbesserte gesellschaftliche Anerkennung.

Dabei gilt es gerade in Sozialunternehmen zwei typische, ansteckende und damit gefährliche in vielen Einrichtungen vorkommende Viren auszurotten: „Jammern-und-klagen” und „Nicht-zuständig-sein”.  Und ich kenne keine Branche in der deutschen Volkswirtschaft, die ihre Arbeit so schlecht redet wie die Pflege selbst. Nehmen Sie als Beispiel die in einer Zeitung zitierte Aussage einer Heimleiterin aus Düsseldorf: „Ich versuche gerade, meinem Sohn den Pflegeberuf auszureden.” Dann dürften wir uns über die mangelnde öffentliche Wertschätzung nicht wundern, auch nicht darüber, warum so wenig junge Menschen für diesen Beruf gewonnen werden können.

Und so habe ich in vielen Vorträgen auch am „Tag der Pflegenden“  den Mitarbeitenden zugerufen:
„Treten Sie selbstbewusster auf. Legen Sie die jammernde Opferrolle ab oder die Rolle der selbstlos Dienenden und demonstrieren Sie glaubwürdig ihre Professionalität. Denn Pflege ist eine hoch anspruchsvolle, komplexe und für unsere älter werdende Gesellschaft eine überaus wichtige und wertvolle Tätigkeit, die allerdings auch gerade deshalb besser vergütet werden muss. Begreifen Sie also die Macht der Pflege. Reden Sie in der Politik mit,  informieren Sie sich. Denn wer nichts weiß, muss alles glauben. Mischen Sie sich ein, entscheiden Sie mit, handeln Sie. Dies setzt allerdings voraus dass Sie sich als wertvoll, wichtig und kompetent fühlen. Sie müssen lernen, die Erfolge Ihrer Arbeit öffentlich zu kommunizieren und Ihren Beruf stärker wert zu schätzen, warum nicht nach dem Motto: „ Früher war ich selbstlos, jetzt gehe ich selbst los.“(Zulehner) Lieben wir also das was wir tun. Liebe zum Beruf bedeutet Liebe zum alten oder kranken Menschen, Liebe zu Menschen überhaupt.“

Diese Richtung bestärkt jetzt auch ganz aktuell die Pflegewissenschaftlerin Prof. Dr. Angelika Zegelin mit ihrem neuen „Mutmachbuch“. Hierin rüttelt sie die Branche auf, mehr Stolz, mehr Mut zu zeigen. In dem Buch „Berufsstolz in der Pflege – Das Mutmachbuch“ gibt die pensionierte Pflegewissenschaftlerin der Universität Witten/Herdecke – mit ihr habe ich während meiner beruflichen Tätigkeit gerne zusammengearbeitet – reichlich Empfehlungen für ein kämpferisches Selbstbewusstsein des Berufsstands. Im Interview mit der Trendinfo-Redaktion der BFS -Bank für Sozialwirtschaft Nr. 2/21 – hält die gelernte Krankenschwester mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg.

Im Klappentext des Buches „Berufsstolz in der Pflege – Das Mutmachbuch“ aus dem hogrefe-Verlag heisst es: “Das Buch zeigt, wie wichtig Berufsstolz für Pflegende in Ausbildung, Lehre und Praxis ist. Die Autoren klären, welche Mechanismen und Strategien helfen, um diese Haltung zu entwickeln. Sie beschreiben die Facetten des Berufsstolzes mit Identität, Individualität, Leidenschaft, Mut, Selbstwert, Sinnhaftigkeit, Wissen und Bildung. Die Inhalte stärken professionell Pflegende und machen ihnen Mut, gegen chronische Belastungen und ethische Dilemmata aktiv vorzugehen und unwürdige Situationen zu ändern. Arbeitsporträts und Berichte aus der Praxis bieten konkrete Rollenmodelle und Umsetzungstipps. Die Autoren vermitteln die Grundlagen der Lobbyarbeit im Pflegeberuf. Sie zeigen Pflegenden, wie sie sich erfolgreich darstellen können und Selbstbewusstsein nach außen vermitteln und verkörpern können.”

Allen in der Pflege möchte ich dieses Buch wärmstens ans Herz legen.

 

Lebensqualität trotz Infektionsschutz

Das ZQP – Zentrum für Qualität in der Pflege – hat einen Ratgeber zum Infektionsschutz und zur Lebensqualität in Pflegeheimen während der Pandemie erarbeitet. Hier zu schreibt das ZQP:

„Für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen sind Infektionsschutzmaßnahmen angesichts der Gefahren durch SARS-CoV-2 ganz besonders wichtig. Gleichzeitig können Schutzmaßnahmen wie Kontaktbeschränkungen oder Abstandsgebote die Lebensqualität älterer pflegebedürftiger Menschen erheblich beeinträchtigen und gesundheitliche Risiken bergen. Wenn der Infektionsschutz beispielweise mit einem Mangel an Zuwendung, Bewegung oder Beschäftigung einhergeht, können damit negative psychische und physische Konsequenzen verbunden sein. Solche problematischen Folgen müssen daher minimiert und die Lebensqualität bestmöglich aufrechterhalten werden.”

Diesen sehr guten Ratgeber empfehle ich allen Verantwortlichen in der Pflege.

Endlich: Doch Unterstützung durch die Bundeswehr!

In meinem letzten Beitrag “Die Bundeswehr als Retter der Pflegeheime?” schrieb ich zum Schluss: “Gerade erhalte ich die Nachricht, dass die Bundeswehr jetzt doch nicht in jedem Pflegeheim eingesetzt werde, da es sich nicht um einen Katastrophenfall handele!”

Nun scheint endlich einer der vielen Wirrwarr-Knäuls im Pandemie-Management aufgelöst. Die Bundeswehr kann nun doch in den Pflegeheimen aushelfen.

Das Ziel ist eigentlich schon seit Langem klar. Pflegeheime müssen in der Pandemie besonders geschützt werden. Bereits vor Wochen hat die Bundesregierung deshalb beschlossen, den Einrichtungen vermehrt Schnelltests zur Verfügung zu stellen, damit das Virus durch Besucher und Pflegekräfte gar nicht erst in die Heime eingebracht wird.

Das Problem, auf das ich immer wieder hinweise: den meisten Einrichtungen fehlt es an Mitarbeitenden, die Schnelltest durchführen können. Daher sind zusätzliche Aufgaben – wie die systematische engmaschige Testung – unmöglich zu stemmen.

Schnelle Abhilfe sollte der Einsatz der Bundeswehr leisten und nach einer Schulung auch die Abstriche für die Tests vornehmen. Allerdings herrschte seither bei den Städten und Landkreisen große Unsicherheit darüber, wer die Kosten solcher Einsätze trägt. Normalerweise zahlt die Kommune, die im Katastrophenfall Amtshilfe einfordert, anschließend auch die Rechnung. In der Corona-Pandemie soll das aber nun nicht mehr gelten – das hat das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen.

Demnach können die Bundeswehr und andere Bundesbehörden für Hilfeleistungen, die sie im Rahmen der Amtshilfe bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie erbracht haben, auf die Erstattung der Auslagen verzichten. Die Regelung gilt rückwirkend ab dem 1. März 2020 und ist zunächst bis zum Ende dieses Jahres befristet.

Kramp-Karrenbauer hatte zwar immer wieder betont, dass die Amtshilfe für die Kommunen kostenlos sei. Doch Wege bestehender Unsicherheiten hat es aber bis zuletzt Unsicherheiten gegeben. Auch deshalb war der Einsatz der Soldaten nur sehr zögernd in Gang gekommen. Bisher waren mit Stand vergangenen Montag nach Ministeriumsangaben erst bundesweit 747 Frauen und Männer in Altenheimen aktiv. Kramp-Karrenbauer sagte am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. „Ich kann nur dafür werben, dass jeder wirklich diese Hilfe in Anspruch nimmt, denn mit jeder Infektion, die nicht in ein Altenheim getragen wird, retten und schützen wir Leben“,

Bei den Kommunen stieß der Kabinettsbeschluss auf Erleichterung. Umständlich bleibt die Anforderung der Soldaten dennoch. Denn Anträge können nicht die einzelnen Einrichtungen selbst stellen, sondern nur die Städte und Landkreise als Heimaufsichtsbehörden. Sie müssen den Bedarf bei den Trägern erheben und dann ein Amtshilfeersuchen stellen. Bei der Caritas hat man bereits gute Erfahrungen mit den Hilfskräften aus der Bundeswehr gemacht. Nach meinen Recherchen erhalten schon jetzt einige Einrichtungen Unterstützung der Bundeswehr so zum Beispiel in Berlin, in Bayern und auch in Nordrhein-Westfalen. Die Erfahrungen sind durchweg positiv, die zusätzlichen Kräfte sind eine wertvolle Entlastung.

Erleichterung für die Einrichtungen könnte auch die Corona-Testhilfe-Hotline der Bundesanstalt für Arbeit bringen, die am Montag freigeschaltet wurde. Hier können sich Freiwillige für den Schnelltest-Einsatz in Alten- und Pflegeheimen melden. Sie werden zuvor vom Roten Kreuz geschult. 

Die Bundeswehr als Retter der Pflegeheime?

Nach der ersten Welle der Pandemie beteuerten Politiker und Behörden: Von nun an schützen wir die besonders Bedrohten – die Älteren in den Pflegeheimen. Doch dieses Versprechen hielten sie nicht. 

Viele Corona-Tote lassen sich auf Ausbrüche in Pflegeheimen zurückführen. In Schleswig-Holstein etwa waren es im Dezember rund 90 Prozent aller Fälle. Bereits vor ein paar Wochen erklärte das Robert-Koch-Institut: Man zähle fast doppelt so viele Ausbrüche wie in der ersten Welle. Gelange das Virus in ein Heim, stecke es durchschnittlich 20 Personen an.

Bewohner und Mitarbeitende kommen sich nah, dazu die Besuche der Familie. Kurzum: sehr viele Kontakte und sehr viele alte Menschen – perfekte Bedingungen für das Virus, um großen Schaden anzurichten. Bundeskanzlerin Angela Merkel  sagte Anfang der Woche in einer Sitzung der Unionsfraktion laut Teilnehmern, die Lage in den Heimen betrübe sie.

Es stellt sich die Frage, wie es dazu kommen konnte. Schon in der ersten Welle der Pandemie waren die Heime mit ihren etwa 800.000 Bewohnerinnen und Bewohnern jene Orte, in denen das Virus besonders heftig um sich griff. Beinahe alle Pflege-Experten mahnten, dies dürfe sich nicht wiederholen.

Viele Heime hatten sich damals zunächst abgeschottet – sodass die Bewohner vereinsamten. Das sollte sich nicht wiederholen. Nach einer breiten gesellschaftlichen Diskussion folgte ein Mittelweg: offen sein für notwendige Besuche und doch geschützt vor dem Virus, so gut es geht.

Im Oktober, als die zweite Welle sich erst langsam anbahnte, warnte Gesundheitsminister Jens Spahn  im Gesundheitsausschuss: Alle Studien zeigten, die Hauptrisiko-Korrelation sei das Alter. Alle Beteiligten waren sich damals einig, dass drei Dinge notwendig seien, um die Älteren zu schützen: Schutzmaterial, Schnelltests und ausreichend Personal für eine Branche, in der schon zu normalen Zeiten mehr als 20 Tausend Mitarbeitende fehlen bzw. eine 30 prozentigen tägliche personelle Unterbesetzung in jedem deutschen Pflegeheim besteht, worauf ich seit 1991 !! hinweise. Kein Wunder also, dass die Maßnahmen nicht ausgereicht haben.

Doch warum konnten die Infektionen nicht verhindert werden? Das geringste Problem scheint das Schutzmaterial, es gibt – anders als im Frühjahr – genug FFP2-Masken, berichten Heimleiter. Auch die Idee mit den Tests schien zunächst gut anzulaufen: Ab Herbst sollten alle, die Heime betreten, per Schnelltest zuvor überprüft werden, mindestens zweimal pro Woche – so lautete die vage Vereinbarung zwischen Bund und Ländern.

Allerdings: Eine tatsächlich verbindliche Abmachung wurde erst Mitte Dezember getroffen: Die Kosten für die Testkits übernehmen die Krankenkassen, die Heime mussten sie nur noch beschaffen. Zusätzlich aber mussten sie Helfer finden, die die Tests durchführen, denn das kostet Zeit. Und so sind wir wieder beim Kernproblem. Eine solche Zusatzaufgabe ist im Alltag eines Heimes kaum zu bewältigen. Mehr Personal wäre notwendig.

Schaut man auf die Todeszahlen rächt sich, dass in den Pflegeheimen viel zu spät und zu wenig getestet wurde. Pflegeheime – so habe ich gefordert – müssten daher zu „besonderen Schutzzonen“ werden – alle, die dort leben, arbeiten sowie ein- und ausgehen, müssten getestet werden.

Kurz vor Weihnachten spitzte sich die Personalknappheit vielerorts zu. Die Infektionslage wurde schlimmer, gleichzeitig mussten die Heime jetzt auch noch die bald anstehenden Impfungen organisieren. Die meisten Heime setzten ein neues Sicherheitskonzept um: Zugang zum Heim nur noch mit negativem Schnelltest. Ein enormer Aufwand, immer muss ein Mitarbeiter am Eingang stehen, um die Daten der Besucher aufzunehmen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege wies darauf hin, dass bundesweit etwa jedes dritte Heim händeringend nach Hilfskräften für die Testungen, je zwei Kräfte pro Einrichtung, suche. Das bedeutet:  rund 9300 Hilfskräfte. Nur: Wo sollen sie herkommen? und das bei der oben beschriebenen personellen Unterdeckung von 30 Prozent vor der Corona-Pandemie!

Mit Überstunden und eng getakteten Dienstplänen ließ sich der vorhanden personelle Notstand  jedoch meist notdürftig überdecken. Nun spitzt sich die Lage dramatisch zu: Der Betreuungsbedarf wächst, auch wegen der strengen Hygienevorschriften. Zeitarbeiter können diesen Engpass nur kurzfristig abfedern – und verschärfen dabei sogar das Risiko einer Ansteckung. Denn dadurch gibt es oftmals eine hohe Fluktuation an Mitarbeitern und dies führt in Zeiten der Pandemie zu einem erhöhten Infektionsrisiko.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel sah zu wenig Fortschritt und machte kurz vor Weihnachten den Personalmangel zur Chefsache. Sie rief zum informellen Krisengipfel im Kanzleramt. Merkel bat Spitzenvertreter von Wohlfahrtsverbänden, Hilfsorganisationen, Seniorenvertretungen und Kommunalverbänden zu sich. Ihre Idee: Zentral organisiert vom Bundeskanzleramt, sollten bald schon Tausende externe Kräfte in die Heime entsendet werden.

Ein besserer Vorschlag kam vom  Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes, Christian Reuter : Alle Bundesländer sollten in die Lage versetzt werden, den Katastrophenfall auszurufen, so wie Bayern es bereits getan hatte. Dies sei der schnellste Weg, um die ehrenamtlichen Sanitätshelfer vom Roten Kreuz, der Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerks loszuschicken. Das Kanzleramt aber lehnte ab, wahrscheinlich wollte man sich nicht noch einmal mit den oft eigenwilligen Länderchefs abstimmen.

Stattdessen beauftragte das Kanzleramt die Bundesagentur für Arbeit, innerhalb von Wochen eine neue Internetplattform und Telefonhotline zu installieren, über die bundesweit Hilfskräfte angeworben werden sollten. Am 11. Januar, so die Vorgabe des Kanzleramts, sollte die Plattform starten. Doch vieles war ungeklärt. Etwa: Wer genau sollte die Hilfskräfte bezahlen, die 13 Euro pro Stunde erhalten sollten? Wie könne deren Qualifikation überprüft werden? Fragen warf auch die Verteilung der Helfer über das Bundesgebiet auf. Das Ergebnis: Die Plattform ist nach wie vor noch nicht  scharfgestellt und wird es wohl auch nicht mehr.

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, sagt: „Die nächsten zwei bis vier Wochen werden für die Einrichtungen der Altenhilfe im Kampf gegen das Virus entscheidend sein: Solange wird es noch dauern, bis die meisten Bewohnerinnen und Bewohner in den Heimen den vollen Impfschutz genießen.“ Der Weg über die Vermittlungsplattform der Bundesagentur für Arbeit sei „erkennbar für die überforderten Strukturen vor Ort nicht ausreichend“, da deren Auswahl und Schulung zusätzlich organisiert werden müsse. Neher fordert deshalb, den bisher ignorierten Vorschlag endlich umzusetzen: Deutschlandweit Sanitäter von Rotem Kreuz und aderen Hilfsorganisationen heranzuziehen, auch die Bundeswehr.

An alternativen Vorschlägen aus der Politik mangelt es nicht. Die Grünen-Pflegeexpertin im Bundestag, Kordula Schulz-Asche, plädiert etwa für kommunale Krisenstäbe, die die Lage in den Heimen im Blick behalten und im Notfall regionale Kriseninterventionsteams in die Heime schicken sollen. Und FDP-Gesundheitsexperte Schinnenburg schlägt vor, Studenten in die Heime zu schicken, die Studentenjobs wegen Corona verloren haben.

Mittlerweile ist das Personalproblem bei den Testungen nicht mehr das einzige in den Heimen. Hinzu kommt, dass viele Pflegekräfte sich offenbar nicht impfen lassen wollen – obwohl sie viele Risikokontakte haben. Hier liegt m.E. ebenfalls ein Versäumnis der Politik: Sie hätte Pflegekräfte direkter ansprechen und von Beginn an mitnehmen müssen, durch Informationsgespräche oder Broschüren.

Der Pflegeheimverband bpa schätzt auf Basis von Daten aus Nordrhein-Westfalen, dass es derzeit in mehr als jedem vierten Heim ein Infektionsgeschehen gibt. Das wären gut 3500 der insgesamt rund 14.000 stationären Pflegeeinrichtungen im Land. Deutlich aussagekräftiger als die Zahl der Infizierten, heißt es beim bpa, sei die Zahl jener, die im Heim an Covid-19 sterben. Von den mehr als 24.000 Menschen, die allein seit dem 1. Dezember am Virus starben, waren die meisten Heimbewohner.

Und so fällt umso mehr auf, wer tatsächlich handelt. Die Verteidigungsministerin etwa, die zum Schutz der Bewohner bis zu 10.000 Soldaten für Corona-Tests in die Heime abkommandieren will. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer hatte offenbar die Geduld verloren, der Lage einfach weiter zuzuschauen. Den Schwächsten, sagte sie, müsse geholfen werden.

Gerade erhalte ich die Nachricht, dass die Bundeswehr jetzt doch nicht in jedem Pflegeheim eingesetzt werde, da es sich nicht um einen Katastrophenfall handele!

So bleibt doch wieder alles an den zu wenigen und überbelasteten Pflegenden hängen. Wie schlimm muss es eigentlich noch werden?

Wunsch für 2021

 

Illuminating Yellow      Ultimate Gray

Wie Jedes Jahr legt das amerikanische Farbinstitut Pantone die Trendfarbe fest, die die Stimmung für das kommende Jahr einfangen soll.

Für 2021 sind das sogar zwei Töne, die nicht unterschiedlicher sein können.  Zwei Farben, die gemeinsam für Freude – GELB
und für das Unbekannte – GRAU – stehen sollen.

Das GELB der Sonne,
der Optimismus und die Lebendigkeit
sowie das GRAU
für Gelassenheit, Zuversicht
und Widerstandsfähigkeit
mögen im kommenden Jahr unsere Begleiter sein.

 

Idee und Gestaltung: Petronella Stoffer-Sitsen
Interieur & Design – www.design-farben.info

Sterne

“Sterne”

Altbewährter Leinenzwirn
umkreist den Stern.
Die Sterne des Alltags gibt es noch,
den Stern der Verheißung immer.

 – Margarete Keith –